Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Rouault berichtet: »Il fuma dans la chambre, cracha sur les chenets, causa culture, veaux, vaches, volailles et conseil municipal«; im lautlichen Witz dieses Satzes ist die perfekt rhythmisierte Alliteration des Schwadroneurs (»causa culture«) und der drei Nutztierarten (»veaux, vaches, volailles«) offenkundig das Wesentliche und nicht etwa die Namen der Viecher an sich, worauf die Übersetzung Rücksicht nimmt, indem sie Geflügel zu Karnickeln macht: »Er rauchte im Zimmer, spuckte auf die Feuerböcke, hielt Reden über Rapsanbau, Kälber, Kühe und Karnickel oder den Gemeinderat« (S. 92).
Nur ein Wort sei gesagt zu dem manchmal gehörten Einwand, Madame Bovary sei »eigentlich« nicht zu übersetzen; als Begründung angeführt werden gewöhnlich Fragen der ans Französische gebundenen Wortstellung (z. B. der Adverbien), besonders aber der Gebrauch, den Flaubert von den drei Vergangenheitsformen imparfait , passé simple , passé composé machte (und auf den Proust in seinem berühmten Essay hinwies). Natürlich ist es richtig, dass es im Deutschen nicht diese drei, sondern nur zwei Vergangenheitsformen (Präteritum und Perfekt) gibt und für das passé simple keine unmittelbare Entsprechung. In der Praxis des Verstehens und Übersetzens jedoch erweisen sich diese Einwände als theoretisch und abstrakt, gibt es doch stets genügend sprachliche Mittel, den erzählerischen Sinn dieser grammatischen Formen auf andere Weise adäquat wiederzugeben; so wird z. B. der Unterschied zwischen wiederholten Handlungen ( imparfait ) und einmaligen Handlungen ( passé simple ) im Deutschen durch die Konjunktionen wenn und als ausgedrückt. Zu der Frage, ob die grammatischen Besonderheiten nicht doch gegenüber den literarischen deutlich überschätzt werden, gibt das Nachwort Auskunft (siehe oben, S. 636–637).
Zum Schluss sei auf einen Faktor hingewiesen, der zu Beginn der Arbeit noch gar nicht absehbar war. Wie Anfang 2009 durch die Presse ging, hat das Centre Flaubert der Universität Rouen Flauberts komplette Vorarbeiten zu Madame Bovary (Notizen, Skizzen, Entwürfe, Reinschriften, Korrekturen) unter Leitung von Yvan Leclerc transkribiert und im Internet zugänglich gemacht (http://flaubert.univ-rouen.fr/bovary/atelier/atelier.php). Es handelt sich um mehrere tausend Blätter, in denen die gesamte Entstehungsgeschichte dokumentiert ist. Ursprünglich war anzunehmen, dass diese Dokumente eben tatsächlich nur die Entstehungsgeschichte (und damit eventuell die Kommentare) beträfen; während der Arbeit aber wurde klar, dass sie auch für die Übersetzung von unschätzbarem Wert sind. Flauberts Arbeitsweise der unendlichen Überarbeitungen ist allgemein bekannt; die Folge dieser Umformulierungen, Kürzungen, Verdichtungen ist nicht selten ein äußerst komprimierter, komplexer Satz, dessen Verständnis manchmal heikel werden kann. Es hat sich herausgestellt, dass der Blick auf die vorausgehenden Varianten in vielen Fällen ein klares Licht auf das wirft, was Flaubert mit einem Wort, einem Satz oder einem Absatz beabsichtigt hat. Und wenn der Übersetzer erkennt, an welchem Detail, an welcher Betonung oder welchem Rhythmus der Autor ausdauernd gefeilt hat, zeigt es auch, wo der Schwerpunkt für die Übersetzung zu liegen hat.
Auch in seinerzeit bereits abgeschlossenen Kapiteln hat diese Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung zuweilen Änderungen verlangt; genannt sei ein kurioses Beispiel aus Kapitel II des Ersten Teils. Über Charles Bovary heißt es: »Er mochte Vater Rouault, der ihm kräftig die Hand drückte und ihn seinen Retter nannte; er mochte Mademoiselle Emmas kleine Holzpantinen auf den gescheuerten Fliesen der Küche; die hohen Absätze machten sie etwas größer, und wenn sie vor ihm herging, schlugen die rasch auf und ab wippenden Sohlen mit hartem Klackern gegen das Leder der Stiefelchen« (S. 29 und Anm. zu S. 27). Für diese nirgendwo erklärte Aussage (Holzpantinen und Lederstiefelchen) ist auch der französische Leser auf Vermutungen angewiesen; die deutschen Übersetzungen drücken sich um die Stelle herum oder streichen sie schlicht. In den Entwürfen ist die Fußbekleidung aber ausführlicher beschrieben, und daraus geht hervor, dass Emma tatsächlich über ihre hübschen Stiefelchen noch grobe Holzpantinen zieht. Das mag als Kleinigkeit erscheinen, aus der Sicht des Autors aber sollen solche Kleinigkeiten (in diesem Fall als ländlich-provinzielle Gewohnheit) die Figur deutlich
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