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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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waren. Sie wollte alles wissen über ihre Leben, in sie eindringen, mit ihnen verschmelzen.
    Doch sie zitterte vor Kälte. Sie zog sich aus und schmiegte sich in die Laken, an Charles, der schlief.
    Es kamen viele Leute zum Frühstück. Das Essen dauerte zehn Minuten; kein Likör wurde serviert, was den Arzt verwunderte. Anschließend sammelte Mademoiselle d’Andervilliers Briochebrocken in einem Weidenkörbchen, um sie den Schwänen auf dem Teich zu bringen, und man spazierte durch das Treibhaus, wo seltsam borstige Pflanzen sich zu Pyramiden türmten, unter hängenden Gefäßen, von deren Rändern wie aus übervollen Schlangennestern lange, ineinander verschlungene grüne Schnüre herabfielen. Die Orangerie, zu der man am anderen Ende gelangte, führte geschützt bis zu den Wirtschaftsgebäuden des Schlosses. Um der jungen Frau Zerstreuung zu bieten, zeigte ihr der Marquis die Stallungen. Über den korbförmigen Futterkrippen standen auf Porzellantafeln schwarz geschrieben die Namen der Pferde. Jedes Tier rührte sich in seiner Box, wenn man zu ihm kam und mit der Zunge schnalzte. Der Boden in der Sattelkammer glänzte wie das Parkett eines Salons. Die Wagengeschirre hingen in der Mitte an zwei Drehsäulen, und die Kandaren, die Peitschen, die Steigbügel, die Kinnketten aufgereiht an der ganzen Wand.
    Charles ersuchte indes einen Diener, ihm seinen Boc anzuspannen. Er wurde vor die Freitreppe gebracht, und nachdem alle Pakete verstaut waren, bezeugte das Ehepaar Bovary dem Marquis und der Marquise seinen Dank und fuhr zurück nach Tostes.
    Emma betrachtete stumm die sich drehenden Räder. Charles hockte am äußersten Ende der Bank und lenkte mit gespreizten Armen, und das kleine Pferd trabte im Passgang zwischen den viel zu weiten Deichselstangen. Die schlaffen Zügel klatschten ihm auf die Kruppe, nass von Schweiß, und die hinten auf dem Boc festgezurrte Truhe schlug mit kräftigen, regelmäßigen Stößen gegen den Wagenkasten.
    Sie waren auf den Höhen von Thibourville, als vor ihnen plötzlich Reiter dahinpreschten, lachend, Zigarren im Mund. Emma glaubte den Vicomte zu erkennen: sie drehte sich zur Seite und sah am Horizont nur die wippenden Köpfe auf und ab hüpfen, im ungleichen Rhythmus von Trab oder Galopp.
    Eine Viertelmeile weiter mussten sie halten, um mit einer Schnur das Schweißblatt festzubinden, das gerissen war.
    Als Charles einen letzten prüfenden Blick auf das Geschirr warf, sah er etwas am Boden, zwischen den Beinen seines Pferds; und er griff nach einem Zigarrenetui, das ganz aus grüner Seide gestickt war und in seiner Mitte ein Wappen trug, wie der Schlag einer Karosse.
    »Da stecken sogar zwei Zigarren drin«, sagte er; »die sind für heute abend, nach dem Essen.«
    »Du rauchst also?« fragte sie.
    »Hin und wieder, wenn sich die Gelegenheit bietet.«
    Er schob den Fund in seine Tasche und gab dem Pferdchen die Peitsche.
    Als sie nach Hause kamen, war das Essen nicht fertig. Madame geriet in Zorn. Nastasie antwortete frech.
    »Hinaus!« sagte Emma. »So eine Unverschämtheit, Sie sind entlassen.«
    Zum Essen gab es Zwiebelsuppe und ein Stück Kalb mit Sauerampfer. Charles, der Emma gegenübersaß, rieb sich mit glücklicher Miene die Hände:
    »Schön, wieder daheim zu sein!«
    Man hörte Nastasie weinen. Er mochte die arme Person ganz gern. Sie hatte ihm einst an manchen Abenden Gesellschaft geleistet, in der Öde seines Witwertums. Sie war seine erste Patientin, seine älteste Bekanntschaft in dieser Gegend.
    »Hast du ihr allen Ernstes gekündigt?« fragte er schließlich.
    »Ja. Wer sollte mich daran hindern?« erwiderte sie.
    Dann wärmten sie sich in der Küche, während ihr Zimmer gerichtet wurde. Charles begann zu rauchen. Beim Rauchen spitzte er die Lippen, spuckte alle Augenblick, lehnte sich zurück bei jedem Zug.
    »Das wird dir nicht bekommen«, sagte sie verächtlich.
    Er legte seine Zigarre weg, lief zur Pumpe und goss ein Glas kaltes Wasser hinunter. Emma griff nach dem Zigarrenetui, warf es gereizt zuunterst in den Schrank.
    Der nächste Tag war lang! Sie spazierte durch ihr Gärtlein, nahm immer wieder dieselben Wege, stand vor den Rabatten, vor den Spalierbäumen, vor dem gipsernen Pfarrer und betrachtete fassungslos all diese Dinge von einst, die ihr so vertraut waren. Wie fern der Ball bereits schien! Was rückte den vorgestrigen Morgen so weit weg vom heutigen Abend? Der Ausflug nach La Vaubyessard hatte ein Loch geschlagen in ihr Leben, gleich jenen tiefen

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