Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Wassertropfen säumten die Blätter. Sie trug ein Kleid in mattem Safrangelb, das drei Sträuße Dijonröschen zierten, durchmischt von Grün.
Charles küsste sie auf die Schulter.
»Lass das!« sagte sie, »du zerknitterst mich.«
Man hörte ein Geigenritornell und die Klänge des Horns. Sie schritt die Treppe hinunter, beherrschte sich, nicht zu laufen.
Die Quadrillen hatten begonnen. Menschen strömten herbei. Man drängelte. Sie setzte sich neben der Tür auf eine Bank.
Als der Kontertanz zu Ende war, blieb das Parkett frei für die plaudernd in Gruppen zusammenstehenden Männer und die hereintretenden livrierten Diener mit ihren großen Tabletts. In der Reihe der sitzenden Frauen flatterten die bemalten Fächer, verbargen die Blumensträuße halb das Lächeln der Gesichter und kreisten die Flakons mit goldenen Stöpseln in leicht geöffneten Händen, deren weiße Handschuhe die Form der Fingernägel nachzeichneten und am Gelenk das Fleisch eng umspannten. Die Spitzenbesätze, die Diamantbroschen, die Armbänder mit Medaillons bebten auf den Korsagen, funkelten auf den Busen, klingelten an den nackten Armen. Die Haare, straff auf den Stirnen anliegend und im Nacken zu lockigen Chignons gesteckt, trugen Kränze, Trauben, Zweige aus Vergissmeinnicht, Jasmin, Granatapfelblüten, Ähren oder Kornblumen. Friedlich auf ihren Plätzen saßen Mütter mit sauertöpfischen Mienen unter roten Turbanen.
Emmas Herz pochte ein wenig, als sie sich, von ihrem Kavalier an den Fingerspitzen gehalten, in die Reihe stellte und auf den Einsatz wartete. Doch bald schwand die Erregung; und sich im Rhythmus des Orchesters wiegend, glitt sie dahin, mit leichtem Schwingen des Halses. Ein Lächeln kam ihr auf die Lippen bei manch zärtlichen Klängen der Geige, die für sich allein musizierte, zuweilen, wenn die andren Instrumente verstummten; man hörte das helle Klirren der Louisdore, die nebenan auf die Spieltische rollten; dann ging alles zugleich wieder los, das Kornett schmetterte einen volltönenden Ruf, die Füße bewegten sich von neuem im Takt, die Röcke bauschten und rauschten, die Hände fassten und ließen einander; derselbe Blick, der sich eben gesenkt hatte, sah einem wieder fest in die Augen.
Einige Männer (fünfzehn etwa), von fünfundzwanzig bis vierzig Jahren, verstreut zwischen den Tänzern oder im Gespräch an den Türen, stachen wegen ihrer Familienähnlichkeit aus der Menge hervor, ungeachtet der Unterschiede in Alter, Kleidung oder Gesicht.
Ihre besser geschnittenen Fräcke schienen aus schmiegsamerem Tuch und ihre an den Schläfen lockig frisierten Haare von feineren Pomaden zu glänzen. Sie hatten den Teint des Reichtums, jenen weißen Teint, den die Blässe des Porzellans, das Schillern des Satins, die Politur der schönen Möbel betonen und den eine maßvolle Kost aus erlesenen Speisen in seiner Gesundheit bewahrt. Ihr Kopf drehte sich bequem über niederen Halsbinden; ihre langen Backenbärte fielen auf Umlegekragen; sie tupften sich die Lippen mit Taschentüchern, in die ein großes Monogramm gestickt war und die süßen Duft verströmten. Die schon Angejahrten wirkten jung, dagegen lag etwas Reifes auf den Gesichtern der Jungen. In ihren gleichgültigen Blicken schimmerte die Ruhe täglich gestillter Leidenschaften; und aus ihren sanften Manieren sprach jene besondere Brutalität, die das Beherrschen halbleichter Dinge verleiht, in denen die Kraft geübt wird und die Eitelkeit sich amüsiert, der Umgang mit Rassepferden und die Gesellschaft gefallener Frauen.
Drei Schritt von Emma plauderte ein Kavalier in blauem Frack mit einer blassen, perlengeschmückten jungen Frau über Italien. Sie rühmten die mächtigen Pfeiler im Petersdom, Tivoli, den Vesuv, Castellammare und die Cascine, die Rosen von Genua, das Kolosseum im Mondenschein. Emma lauschte mit dem anderen Ohr einem Gespräch voller Worte, die sie nicht verstand. Man umringte einen blutjungen Mann, der eine Woche zuvor Miss Arabella und Romulus geschlagen hatte und zweitausend Louis gewonnen beim Überspringen eines Grabens in England. Einer klagte, weil seine Renner Fett ansetzten; ein anderer, weil Druckfehler den Namen seines Pferdes entstellt hatten.
Die Luft im Ballsaal war drückend; die Lampen verblassten. Alles strömte ins Billardzimmer. Ein Diener stieg auf einen Stuhl und zerschlug zwei Scheiben; beim Klirren der Glassplitter wandte Madame Bovary den Kopf und erblickte im Garten, dicht an den Fenstern, Bauerngesichter, die
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