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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Madame Bovary einen kleinen Jungen, der zum Spaß an dem Drehkreuz in seinem ausgeleierten Loch rüttelte.
    »Der kommt gleich«, antwortete er.
    Tatsächlich knarrte die Pfarrhaustür, Abbé Bournisien erschien; die Kinder stoben Hals über Kopf in die Kirche.
    »Diese Schlingel!« brummte der Geistliche, »immer dasselbe!«
    Und während er einen zerfledderten Katechismus aufhob, gegen den er mit dem Fuß gestoßen war:
    »Keine Achtung vor nichts!«
    Doch sowie er Madame Bovary gewahrte:
    »Verzeihen Sie«, sagte er, »ich habe Sie nicht gleich erkannt.«
    Er stopfte den Katechismus in seine Tasche und blieb stehen, immerzu wippte er dabei zwischen zwei Fingern den schweren Schlüssel zur Sakristei.
    Das Licht der untergehenden Sonne, das ihm mitten ins Gesicht fiel, bleichte das Lasting seiner Soutane, sie glänzte an den Ellbogen, franste unten am Saum. Flecken von Fett und Tabak liefen auf seiner breiten Brust neben der Reihe kleiner Knöpfe einher und vermehrten sich, je weiter sie sich von seinem Beffchen entfernten, auf dem die wulstigen Falten seiner roten Haut ruhten; sie war übersät mit gelben Punkten, die in den dicken Borsten des grauen Barts verschwanden. Er hatte eben erst gegessen und atmete geräuschvoll.
    »Wie ist das werte Befinden?« fügte er hinzu.
    »Schlecht«, antwortete Emma; »ich leide.«
    »Ja, ja, ich auch«, erwiderte der Geistliche. »Die ersten warmen Tage, nicht wahr, machen erstaunlich müde? Aber so ist das nun mal! Wir sind auf der Welt, um zu leiden, wie der heilige Paulus sagt. Und was meint Monsieur Bovary?«
    »Der!« seufzte sie mit wegwerfender Geste.
    »Wie!« entgegnete der gute Mann ganz erstaunt, »verordnet er Ihnen denn nichts?«
    »Ach!« sagte Emma, »irdische Mittel können mir nicht helfen.«
    Der Pfarrer jedoch schaute von Zeit zu Zeit in die Kirche, wo die Kinder knieten, sich gegenseitig mit den Schultern schubsten und wie Dominosteine übereinanderpurzelten.
    »Ich würde gern wissen …«, fuhr sie fort.
    »Na warte, Riboudet, warte«, schrie der Geistliche mit zorniger Stimme, dir werde ich die Ohren langziehen, du Lausebengel!«
    Dann, zu Emma gewandt:
    »Das ist der Sohn vom Zimmermann Boudet; seine Eltern leben in guten Verhältnissen und lassen ihm alles durchgehen. Dabei würde er schnell lernen, wenn er nur wollte, er hat nämlich Köpfchen. Und ich nenne ihn manchmal zum Scherz Riboudet (wie die Anhöhe auf dem Weg nach Maromme), und ich sage sogar: mon Riboudet. Hoho! Mont-Riboudet! Neulich habe ich diesen Scherz Seiner Exzellenz erzählt, und er hat gelacht … er hat zu lachen geruht. – Und wie geht es Monsieur Bovary?«
    Sie schien nichts zu hören. Er redete weiter:
    »Gewiss immer vielbeschäftigt? denn wir sind ganz bestimmt, er und ich, in der Gemeinde die zwei Menschen, die am meisten zu tun haben. Doch er ist der Arzt für den Leib«, fügte er mit plumpem Gelächter hinzu, »und ich bin der für die Seele!«
    Sie heftete auf den Priester einen flehenden Blick.
    »Ja …«, sagte sie, »Sie lindern alle Not.«
    »Oje! davon kann ich ein Lied singen, Madame Bovary! Erst heute früh musste ich ins Bas-Diauville wegen einer Kuh, die aufgebläht war; sie glaubten, es sei Hexerei. Alle ihre Kühe, ich weiß nicht warum … Entschuldigung! Longuemarre und Boudet! Verflixt und zugenäht! Wollt ihr wohl aufhören!«
    Und mit einem Satz stürmte er in die Kirche.
    Die Kinder drängten sich jetzt um das große Pult, kletterten auf den Schemel des Kantors, öffneten das Missale; andere wiederum schlichen auf leisen Sohlen bis hinein in den Beichtstuhl. Plötzlich jedoch ließ der Pfarrer Ohrfeigen hageln. Er packte sie an den Rockkragen, hob sie in die Luft und setzte sie mit beiden Knien zurück auf den Steinboden des Chors, kraftvoll, als wollte er sie einpflanzen.
    »Ja«, sagte er, als er wieder neben Emma stand und sein großes baumwollenes Taschentuch entfaltete, indem er sich einen Zipfel zwischen die Zähne klemmte, »die Landwirte können einem wirklich leid tun!«
    »Andere auch«, erwiderte sie.
    »Zweifellos! die Arbeiter in den Städten zum Beispiel.«
    »An die habe ich nicht …«
    »Entschuldigen Sie! aber ich habe Mütter gekannt, sittsame Frauen, glauben Sie mir, wahre Heilige, und die hatten nicht einmal Brot.«
    »Aber die«, entgegnete Emma (und ihre Mundwinkel zuckten beim Sprechen), »die, Herr Pfarrer, die Brot haben und kein …«
    »Feuer im Winter«, sagte der Priester.
    »Ha! wen kümmert’s?«
    »Was! wen

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