Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
war Léon. Sie stand auf und nahm von einem Stoß Küchentücher, die zum Einsäumen auf der Kommode lagen, das oberste herunter. Sie schien ganz in ihre Arbeit vertieft, als er eintrat.
Das Gespräch schleppte sich dahin, denn Madame Bovary verstummte immer wieder, und er selbst wirkte befangen. Er saß auf einem niedrigen Stuhl am Kamin und drehte die Nadelbüchse aus Elfenbein zwischen den Fingern; sie nähte eifrig oder strich dann und wann mit dem Nagel über den umgeschlagenen Stoffrand. Sie sagte nichts; er war still, gebannt von ihrem Schweigen, wie sonst von ihren Worten.
»Armer Kerl!« dachte sie.
»Womit habe ich ihr Missfallen erregt?« überlegte er.
Léon sagte schließlich doch, er müsse bald einmal nach Rouen fahren, in einer Kanzleiangelegenheit.
»Ihr Musikalienabonnement ist abgelaufen, soll ich es verlängern?«
»Nein«, antwortete sie.
»Warum?«
»Darum …«
Und mit verkniffenen Lippen zog sie langsam an einem endlosen grauen Faden.
Diese Näherei ärgerte Léon. Emmas Fingerspitzen schienen sich daran wund zu reiben; eine galante Bemerkung ging ihm durch den Kopf, er wagte jedoch nicht, sie auszusprechen.
»Sie hören also auf?« fragte er wieder.
»Womit?« sagte sie lebhaft; »mit der Musik? Ach! mein Gott, ja! habe ich nicht mein Haus, das ich führen, meinen Mann, um den ich mich kümmern muss, kurzum, tausend Dinge, so viele Pflichten, die allem anderen vorgehen!«
Sie schaute auf die Pendeluhr. Charles hatte Verspätung. Da spielte sie die Besorgte. Zwei-, dreimal wiederholte sie gar:
»Er ist so gut!«
Der Kanzlist mochte Monsieur Bovary. Diese Anhänglichkeit überraschte ihn jedoch auf unangenehme Art; trotzdem stimmte er ein in ihr Loblied, das, wie er sagte, alle sangen, und ganz besonders der Apotheker.
»Oh! Er ist ein rechtschaffener Mann«, erwiderte Emma.
»Sicher«, erwiderte der Kanzlist.
Und er fing an von Madame Homais zu reden, deren nachlässiger Aufzug ihnen normalerweise Anlass gab zu Spott.
»Was macht das schon?« unterbrach Emma. »Eine gute Mutter schert sich nicht um ihre Kleidung.«
Dann fiel sie wieder in Schweigen.
Genauso war es an den folgenden Tagen; ihre Reden, ihre Art, alles änderte sich. Man sah, dass sie ihren Haushalt ernst nahm, wieder regelmäßig in die Kirche ging und ihre Dienstmagd mit größerer Strenge behandelte.
Sie holte Berthe von der Amme zurück. Félicité brachte sie herbei, wenn Besuch kam, und Madame Bovary entkleidete sie und zeigte ihre Gliedmaßen. Sie verkündete, dass sie Kinder abgöttisch liebe; das war ihr Trost, ihre Freude, ihre Narretei, und sie begleitete ihre Zärtlichkeiten mit lyrischen Ergüssen, die jeden, außer die Bewohner von Yonville, an die Sachette aus Notre-Dame zu Paris erinnert hätten.
Wenn Charles heimkehrte, standen seine Pantoffeln neben der Glut zum Wärmen. Nie wieder fehlte jetzt in seinen Westen das Futter oder an seinen Hemden ein Knopf, und es war ein Vergnügen, im Schrank alle Zipfelmützen zu sehen, wohlgeordnet zu gleich hohen Stapeln. Sie sträubte sich nicht mehr wie früher, durch den Garten zu schlendern; was immer er vorschlug, fand Zustimmung, obgleich sie keinen der Wünsche erriet, denen sie sich ohne Widerspruch fügte; – und wenn Léon ihn vor dem Kamin sitzen sah, nach dem Abendessen, die Hände verschränkt auf dem Bauch, die Füße auf die Feuerböcke gestützt, die Wangen gerötet vom Verdauen, die Augen feucht vor Glück, daneben das Kind, das auf dem Teppich kroch, und diese schlanke Frau, die sich über die Lehne des Armstuhls beugte und ihn auf die Stirn küsste:
»Das ist Wahnsinn!« sagte er sich, »wie soll ich jemals an sie herankommen?«
Sie schien ihm jetzt so tugendhaft und unnahbar, dass jede Hoffnung, selbst die leiseste, schwand.
Durch diese Entsagung jedoch gab er ihr einen außerordentlichen Rang. Sie wurde befreit von allen körperlichen Eigenschaften, die ihm verwehrt blieben; und in seinem Herzen stieg sie höher und höher, löste sich von ihm, nach der wundervollen Art einer Apotheose, die aufschwebt. Es war eines jener reinen Gefühle, die uns nicht am Leben hindern, die man kultiviert, weil sie rar sind, und deren Verlust mehr Kummer bereitet als das Besitzen Freude.
Emma wurde mager, ihre Wangen wurden bleich, ihr Gesicht wurde schmal. Mit ihren breiten schwarzen Haarstreifen, ihren großen Augen, ihrer geraden Nase, ihrem vogelhaften Gang, und neuerdings immer schweigsam, wirkte es da nicht, als schreite sie durchs Leben,
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