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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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kümmert’s? Mir scheint, wenn man gut warm hat, gut zu essen …, denn schließlich …«
    »Mein Gott! mein Gott!« stöhnte sie.
    »Ist Ihnen unwohl?« fragte er und kam mit besorgter Miene näher; »die Verdauung, wahrscheinlich? Sie müssen nach Hause gehen, Madame Bovary, ein wenig Tee trinken; das wird Sie kräftigen, oder ein Glas frisches Wasser mit Zucker.«
    »Warum?«
    Und sie wirkte wie jemand, der aus einem Traum erwacht.
    »Sie fuhren sich mit der Hand über die Stirn. Ich glaubte, Ihnen sei schwindlig.«
    Dann, sich besinnend:
    »Aber Sie fragten mich etwas? Was war’s denn gleich? Ich weiß es nicht mehr.«
    »Ich? Nichts …, nichts …«, wiederholte Emma.
    Und ihr umherschweifender Blick senkte sich langsam auf den Greis in der Soutane. Sie musterten einander, Auge in Auge, wortlos.
    »Nun denn, Madame Bovary«, sagte er schließlich, »Sie werden verzeihen, aber die Pflicht ruft, Sie wissen ja; ich muss meine Racker abfertigen. Die Erstkommunion ist nicht mehr weit. Es wird auch diesmal wieder knapp, fürchte ich! Drum behalte ich sie ab Himmelfahrt recta jeden Mittwoch eine Stunde länger da. Die armen Kinder! Man kann sie gar nicht früh genug auf die Wege des Herrn geleiten, wie er uns selbst befohlen hat, durch den Mund seines göttlichen Sohnes … Gute Besserung, Madame; meine Empfehlungen an den Herrn Gemahl!«
    Und er trat in die Kirche, beugte aber zuvor auf der Schwelle das Knie.
    Emma sah ihn zwischen den beiden Bankreihen verschwinden, mit schwerem Schritt, den Kopf leicht zur Schulter geneigt und die halb geöffneten Hände nach außen.
    Dann drehte sie sich auf dem Absatz, mit einem Ruck wie eine Statue um ihre Achse, und machte sich auf den Weg nach Haus. Aber die dröhnende Stimme des Pfarrers, die hellen Stimmen der Kinder drangen ihr noch ans Ohr und hallten in ihrem Rücken:
    »Bist du ein Christ?«
    »Ja, ich bin Christ.«
    »Was ist ein Christ?«
    »Einer, der getauft ist …, getauft ist …, getauft ist.«
    Sie stieg die Treppenstufen hinan und musste sich am Geländer festhalten, in ihrem Zimmer sank sie in den Lehnstuhl.
    Das weißliche Hell der Fensterscheiben schwand langsam, wogend. Die Möbel an ihrem Platz schienen noch regloser und verloren sich im Dunkel wie in einem finsteren Ozean. Der Kamin war erloschen, die Pendeluhr schlug immer weiter, und Emma wunderte sich über diese Ruhe der Dinge, wo in ihr solcher Aufruhr tobte. Doch zwischen Fenster und Nähtisch tapste die kleine Berthe in ihren gestrickten Stiefelchen umher und versuchte sich ihrer Mutter zu nähern, denn sie wollte die Enden ihrer Schürzenbänder haschen.
    »Lass mich!« sagte diese und schob sie mit der Hand fort.
    Das kleine Mädchen drückte sich bald wieder gegen ihre Knie; die Arme aufgestützt, blickte es mit seinen runden blauen Augen zu ihr empor, während ein glasiger Speichelfaden von seinen Lippen auf die seidene Schürze rann.
    »Lass mich!« wiederholte die junge Frau verärgert.
    Ihr Gesicht erschreckte das Kind, und es begann zu kreischen.
    »So lass mich doch!« rief sie und stieß es mit dem Ellbogen weg.
    Berthe stürzte neben die Kommode, gegen die Messingrosette; sie schnitt sich die Wange auf, Blut floss. Madame Bovary eilte hin, um sie hochzuheben, riss die Klingelschnur ab, schrie aus Leibeskräften nach der Magd und wollte sich schon verwünschen, als Charles auftauchte. Es war Abendessenszeit, er kam nach Hause.
    »Schau nur, lieber Freund«, sagte Emma mit sanfter Stimme: »die Kleine hat sich am Boden verletzt, beim Spielen.«
    Charles beruhigte sie, die Sache war nicht schlimm, und er holte rasch ein Saftpflaster.
    Madame Bovary ging nicht hinunter in die Stube; sie wollte allein bleiben und ihr Kind hüten. Und während sie es im Schlaf so betrachtete, verflog allmählich der letzte Rest von Aufregung, und sie empfand sich selbst als viel zu töricht und viel zu gutmütig, weil sie in Angst geraten war wegen nichts und wieder nichts. Berthe schluchzte nicht mehr. Ihr Atem hob jetzt fast unmerklich die Baumwolldecke. Dicke Tränen hingen im Winkel ihrer halb geschlossenen Lider, die zwischen den Wimpern zwei blasse, tiefliegende Augen erkennen ließen; der Verband, der auf ihrer Wange klebte, verzog die gespannte Haut.
    »Seltsam«, dachte Emma, »warum ist das Kind nur so hässlich!«
    Als Charles nachts um elf aus der Apotheke kam (wohin er nach dem Essen das übriggebliebene Saftpflaster gebracht hatte), stand seine Frau neben der Wiege.
    »Ich versichere dir, das

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