Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
schwindelerregender Höhe Nüsse runterschüttelt. Na! und jetzt, wahrlich kein Ruhmesblatt! schöne Voraussetzungen für einen, der Apotheker werden will; du kannst unter ernsten Umständen vor Gericht zitiert werden, damit du den Richtern Aufschluss gibst; und dann wirst du kaltes Blut bewahren müssen, vernünftig denken, dich als Mann erweisen, oder du stehst da als Dummkopf!«
Justin antwortete nicht. Der Pharmazeut redete weiter:
»Wer hat dich hergerufen? Ständig belästigst du Monsieur und Madame! Außerdem bist du am Mittwoch unabkömmlich. Zu Hause warten zwanzig Leute. Ich habe alles stehen und liegen lassen, weil ich mich um dein Wohl sorge. Los jetzt! lauf! warte auf mich, und lass die Glasbehälter nicht aus den Augen!«
Nachdem Justin seine Kleider in Ordnung gebracht hatte und fort war, unterhielt man sich kurz über Ohnmachten. Madame Bovary hatte noch nie eine gehabt.
»Das ist erstaunlich für eine Dame!« sagte Monsieur Boulanger. »Zudem gibt es Leute, die sehr empfindlich sind. Ich habe bei einem Duell gesehen, wie einem Sekundanten schon beim Klicken der Pistolen, die geladen wurden, die Sinne schwanden.«
»Mir«, sagte der Pharmazeut, »macht der Anblick des Blutes anderer gar nichts aus; die bloße Vorstellung jedoch, mein eigenes könnte fließen, würde einen Schwächeanfall zur Folge haben, wenn ich allzu lange darüber nachdächte.«
Derweil schickte Monsieur Boulanger seinen Knecht mit der Ermahnung nach Hause, sich wieder zu beruhigen, denn schließlich habe man ihm seine Laune erfüllt.
»Sie hat mir das Pläsier verschafft, Sie kennenzulernen«, fügte er hinzu.
Und während dieses Satzes blickte er zu Emma.
Dann legte er drei Franc auf den Tischrand, grüßte nachlässig und ging.
Bald war er jenseits des Flusses (dieser Weg führte ihn zurück nach La Huchette); und Emma sah ihn auf der Wiese, wo er unter den Pappeln dahinschritt, von Zeit zu Zeit langsamer wurde wie einer, der nachsinnt.
»Sie ist reizend!« sagte er sich; »sie ist reizend, diese Arztfrau! Schöne Zähne, schwarze Augen, ein zierlicher Fuß und gut gewachsen wie eine Pariserin. Wo zum Teufel kommt die her? Und wo hat er sie aufgestöbert, dieser dicke Kerl?«
Monsieur Rodolphe Boulanger war vierunddreißig; er hatte einen rohen Charakter und einen scharfen Verstand, pflegte regen Umgang mit Frauen und war darin äußerst versiert. Diese hier war ihm hübsch vorgekommen; also dachte er an sie, und an ihren Mann.
»Ich glaube, der ist sehr dumm. Sie hat ihn wahrscheinlich satt. Er hat schmutzige Fingernägel und einen Dreitagebart. Während er zu seinen Patienten trappelt, sitzt sie zu Hause und stopft Socken. Und langweilt sich! würde gern in der Stadt wohnen, jeden Abend Polka tanzen! Armes Ding! Die japst nach Liebe wie ein Karpfen nach Wasser auf dem Küchentisch. Drei Schmeicheleien, und sie wird dich anbeten, da bin ich sicher! wäre zärtlich! bezaubernd! … Ja, aber wie wird man sie hinterher wieder los?«
Die Lästigkeiten des Vergnügens, die ihm düster schwanten, ließen ihn an seine Geliebte denken. Es war eine Schauspielerin in Rouen, die er aushielt; und als er bei diesem Bild verweilte, das ihm sogar in der Erinnerung Überdruss bereitete:
»Ach! Madame Bovary«, dachte er, »ist viel hübscher, frischer vor allem. Virginie wird in letzter Zeit entschieden zu dick. Sie ist so stumpfsinnig mit ihren Freuden. Und dann noch ihre Leidenschaft für Krabben!«
Die Felder lagen einsam da, und Rodolphe hörte nur das regelmäßige Klatschen der Gräser, die gegen seine Stiefel schlugen, und das Zirpen der Grillen im Hafer; er sah Emma wieder vor sich, in der großen Stube, angezogen, wie er sie gesehen hatte, und er zog sie aus.
»Oh! ich krieg sie!« rief er und zerschlug mit dem Stock eine Erdscholle vor seinen Füßen.
Und sogleich prüfte er die politische Seite des Unternehmens. Er fragte sich:
»Wo können wir uns treffen? wie machen wir’s? Ständig werden wir das Balg am Hals haben, und das Dienstmädchen, die Nachbarn, den Mann, nichts als furchtbaren Ärger. Ach was!«, sagte er, »man vergeudet damit nur seine Zeit!«
Dann grübelte er weiter:
»Aber sie hat Augen, die bohren sich dir ins Herz. Und ihre blasse Haut! … Wo ich blasse Frauen doch so liebe!«
Oben auf den Höhen von Argueil war sein Entschluss gefasst.
»Jetzt müssen sich bloß noch Gelegenheiten finden. Nun, ich werde ab und zu vorbeischauen, ich kann ihnen Wild schicken, Geflügel; ich lasse mir Blut
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