Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
ihrem Hauskleid um die Taille; und bei geschlossenen Läden, ein Buch in der Hand, lag sie mit dieser Aufmachung auf einem Kanapee.
    Häufig änderte sie ihre Frisur: sie trug das Haar à la chinoise, in weichen Locken, in geflochtenen Zöpfen; sie zog den Scheitel seitlich am Kopf und rollte die Haare nach innen, wie ein Mann.
    Sie wollte Italienisch lernen: sie kaufte Wörterbücher, eine Grammatik, einen Vorrat von weißem Papier. Sie versuchte sich an ernster Lektüre, Geschichte und Philosophie. Nachts schreckte Charles manchmal aus dem Schlaf und glaubte, man hole ihn zu einem Kranken:
    »Ich komme«, lallte er.
    Es war das Zischen eines Streichholzes, das Emma anriss, um die Lampe wieder zu entzünden. Doch mit ihren Lektüren war es wie mit ihren Stickereien, die, alle angefangen, ihren Schrank füllten; sie griff nach ihnen, legte sie weg, holte sich andere.
    Sie hatte Stimmungen, bei denen man sie leicht zu Torheiten verleiten konnte. Eines Tages behauptete sie ihrem Mann gegenüber, sie hätte Lust, ein großes Glas Schnaps zu trinken, und da Charles so dumm war, sie herauszufordern, leerte sie es bis auf den letzten Tropfen.
    Trotz ihres flatterhaften Wesens (wie die Bürgerinnen von Yonville sich ausdrückten) wirkte Emma nicht froh, und gewöhnlich lag um ihre Mundwinkel jene starre Verkrampftheit, die das Gesicht alter Jungfern und gestürzter Ehrgeizlinge zerknittert. Sie war gleichmäßig blass, weiß wie ein Leintuch; die Haut spannte sich an den Nasenflügeln, ihre Augen blickten zerstreut. Weil sie an den Schläfen drei graue Haare entdeckt hatte, sprach sie viel vom nahenden Alter.
    Oft hatte sie Schwächeanfälle. Eines Tages spuckte sie sogar Blut, und als Charles zu Hilfe eilte, sich besorgt zeigte:
    »Ach was!« wehrte sie ab, »ist doch alles gleich!«
    Charles flüchtete in sein Sprechzimmer; und er weinte, beide Ellbogen auf den Tisch gestützt, in seinem Schreibtischsessel, unter dem phrenologischen Schädel.
    Dann schrieb er an seine Mutter und bat sie zu kommen, und sie führten miteinander endlose Gespräche über Emma.
    Welchen Entschluss fassen? was tun, da sie nun einmal jede Behandlung ablehnte?
    »Weißt du, was deine Frau bräuchte?« begann Mutter Bovary von neuem. »Richtige Beschäftigungen, Handarbeit! Wenn sie wie so viele andere gezwungen wäre, ihr Brot zu verdienen, hätte sie nicht diese Zustände, das kommt von all dem Zeug, das sie in ihren Schädel stopft, und von dem Müßiggang, in dem sie lebt.«
    »Aber sie beschäftigt sich doch«, sagte Charles.
    »Ach so! sie beschäftigt sich! Womit denn? Sie liest Romane, schlechte Bücher, Werke, die gegen die Religion sind und in denen Priester verhöhnt werden, mit Reden, die von Voltaire stammen. Aber das alles hat Folgen, mein armes Kind, und wer keine Religion hat, nimmt immer ein böses Ende.«
    Es wurde also beschlossen, Emma am Romanlesen zu hindern. Das Unterfangen war nicht ganz leicht. Die gute Alte wollte die Sache in die Hand nehmen: Auf der Heimreise würde sie in Rouen höchstpersönlich zum Inhaber des Lesekabinetts gehen und ihm klarmachen, dass Emma ihre Abonnements kündige. Hätte man nicht sogar das Recht, die Polizei einzuschalten, wenn der Buchhändler hartnäckig blieb und sein Vergiftungswerk fortsetzte?
    Der Abschied zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter war kühl. In den drei Wochen, die sie miteinander verbracht hatten, waren keine vier Worte gewechselt worden, außer den kurzen Mitteilungen und Höflichkeiten, wenn sie bei Tisch saßen, und abends, bevor sie zu Bett gingen.
    Die alte Madame Bovary fuhr an einem Mittwoch, als Markttag war in Yonville.
    Der Platz war schon am frühen Morgen überfüllt mit Karren, die sich, hinten aufgekippt und Deichselstangen in der Luft, von der Kirche bis zum Gasthof entlang der Häuser reihten. Auf der anderen Seite standen Buden aus Leinwand, wo Baumwollzeug verkauft wurde, Decken und Wollstrümpfe, dazu noch Halfter für die Pferde und Packen blauer Bänder, deren Enden im Winde flatterten. Auf dem Boden waren Eisenwaren ausgebreitet, zwischen Eierpyramiden und Käsekörbchen, aus denen klebrige Strohhalme schauten; neben den Getreidemaschinen gluckten Hühner in niedrigen Käfigen und reckten ihre Hälse durch die Stäbe. Das Menschengewühl, das sich am gleichen Ort staute und nicht fortbewegen wollte, drohte bisweilen die Auslage der Apotheke einzudrücken. Mittwochs war sie immer voll, und man drängelte sich, weniger um Arzneien zu kaufen, als

Weitere Kostenlose Bücher