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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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beobachtete er sie aus dem Augenwinkel.
    Ihr Profil war so ruhig, dass man nichts ablesen konnte. Es war klar umrissen im hellen Licht, unter dem Oval ihres Kapotthütchens, dessen fahle Bänder an Schilfblätter erinnerten. Ihre Augen mit den langen, geschwungenen Wimpern blickten geradeaus, und obwohl weit geöffnet, schienen sie über den Backenknochen ein wenig zu Schlitzen verengt, wegen des Blutes, das sanft pochte unter ihrer zarten Haut. Ein leichtes Rosa schimmerte durch die Nasenwand. Sie neigte den Kopf zur Schulter, und man sah zwischen den Lippen das Perlmutt ihrer weißen Zähne.
    »Verspottet sie mich?« überlegte Rodolphe.
    Doch Emmas Stoß war nichts als eine Ermahnung gewesen; denn neben ihnen ging Monsieur Lheureux, und von Zeit zu Zeit sagte er ein paar Worte, als wolle er ein Gespräch anknüpfen:
    »Ein prachtvoller Tag! alle Welt ist draußen! der Wind kommt von Osten.«
    Und weder Madame Bovary noch Rodolphe antwortete ihm, während er sich bei der leisesten ihrer Bewegungen näherte, »Wie bitte?« fragte und mit der Hand an seinen Hut tippte.
    Als sie zum Haus des Hufschmieds kamen, bog Rodolphe, anstatt auf der Chaussee bis zur Absperrung weiterzugehen, plötzlich in einen Feldweg und zog Madame Bovary mit sich fort; er rief:
    »Guten Tag, Monsieur Lheureux! auf Wiedersehen!«
    »Dem haben Sie eine Abfuhr erteilt!« lachte sie.
    »Warum«, erwiderte er, »soll man sich von anderen belästigen lassen? und da ich heute das Glück habe, in Ihrer Gesellschaft zu sein …«
    Emma errötete. Er sprach seinen Satz nicht zu Ende. Nun redete er vom schönen Wetter und der Freude, durchs Gras zu laufen. Ein paar Margeriten waren nachgewachsen.
    »Was für entzückende Gänseblümchen«, sagte er, »da können ja alle verliebten Frauen im Land das Orakel befragen.«
    Und er fügte hinzu:
    »Soll ich eins pflücken? Was meinen Sie?«
    »Sind Sie denn verliebt?« fragte sie, ein wenig hüstelnd.
    »Ah! ah! wer weiß?« antwortete Rodolphe.
    Der Anger füllte sich allmählich, und die Hausfrauen rempelten mit ihren großen Regenschirmen, ihren Körben und ihren Sprösslingen. Oft musste man ausweichen vor einer endlosen Schlange von Landfrauen, Dienstmägden in blauen Strümpfen, mit flachen Schuhen, mit silbernen Ringen, und sie rochen nach Milch, wenn man in ihre Nähe kam. Sie hielten einander beim Gehen an den Händen und verteilten sich über die ganze Länge der Wiese, von der Espenreihe bis zum Festzelt. Doch nun war es Zeit für die Begutachtung, und die Landwirte traten einer nach dem andern in eine Art Hippodrom, begrenzt mit einem langen, um Pfosten geschlungenen Seil.
    Hier waren auch alle Tiere, die Schnauzen dem Strick zugewandt, und die verschieden geformten Kruppen unordentlich aneinandergereiht. Schläfrige Schweine gruben ihre Rüssel in die Erde; Kälber muhten; Schafe blökten; die Kühe, ein Bein angewinkelt, stellten auf dem Gras ihre Wänste zur Schau, käuten langsam wieder, blinzelten unter schweren Lidern, inmitten der Fliegen, die sie umschwirrten. Fuhrknechte mit bloßen Armen hielten bäumende Hengste am Halfter, die aus geblähten Nüstern hinüberwieherten zu den Stuten. Diese blieben ganz friedsam, reckten die Köpfe mit den herabfallenden Mähnen, während die Fohlen in ihrem Schatten ruhten oder bisweilen an ihren Eutern nuckelten; und aus dem beständigen Gewoge all dieser aneinandergedrängten Leiber sah man hier eine weiße Mähne, einer Welle gleich, im Winde wehen oder dort spitze Hörner emporragen, und die Köpfe von Männern, die herumliefen. Abseits, außerhalb der Schranken, hundert Schritt weiter, stand ein großer schwarzer Stier, der einen Maulkorb trug und in der Nase einen Eisenring und sich nicht stärker rührte als ein Bronzetier. Ein Kind in Lumpen hielt ihn am Strick.
    Indes schritten zwischen den beiden Reihen gewichtige Herren einher, begutachteten jedes Tier, hielten mit leiser Stimme Rat. Einer von ihnen, der bedeutender wirkte, schrieb beim Gehen Notizen in ein Buch. Es war der Jury-Vorsitzende: Monsieur Derozerays de la Panville. Sowie er Rodolphe erblickte, lief er eiligst herbei und sagte lächelnd, in freundlichem Ton:
    »Wie, Monsieur Boulanger, Sie wollen uns im Stich lassen?«
    Rodolphe beteuerte, er werde gleich kommen. Doch als der Vorsitzende entschwunden war:
    »O nein«, meinte er, »das tue ich gewiss nicht; Ihre Gesellschaft ist mir lieber als seine.«
    Und obwohl er über die Landwirtschaftsausstellung spöttelte, zeigte Rodolphe,

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