Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
mit Ackerbau zu tun? Sie kennen sich also darin aus?«
    »Selbstverständlich, kenne ich mich darin aus, ich bin doch Apotheker, das heißt Chemiker! und nachdem die Chemie, Madame Lefrançois, die Erforschung der wechselseitigen und molekularen Wirkung aller Stoffe der Natur zum Gegenstand hat, folgt daraus, dass die Landwirtschaft in ihren Aufgabenbereich fällt! Und tatsächlich: Zusammensetzung der Düngemittel, Gärung der Flüssigkeiten, Analyse der Gase und Einfluss der Miasmen, was ist das alles, frage ich Sie, wenn nicht schlicht und einfach Chemie?«
    Die Wirtin gab keine Antwort. Homais sprach weiter:
    »Glauben Sie denn, um Agronom zu sein, müsse man eigenhändig die Erde pflügen oder das Federvieh mästen? Nein, man muss vielmehr den Aufbau der Substanzen kennen, um die es geht, die geologischen Schichten, die atmosphärischen Erscheinungen, die Beschaffenheit der Böden, Mineralien, Gewässer, die Dichte der verschiedenen Stoffe und ihre Kapillarität! Was weiß ich? Und man muss alle Hygieneregeln gründlich beherrschen, um die Errichtung von Gebäuden, das Futter der Tiere, die Kost der Dienstboten zu steuern, zu kritisieren! Man muss außerdem, Madame Lefrançois, die Botanik beherrschen; die Pflanzen unterscheiden können, verstehen Sie, die heilkräftigen von den gefährlichen, welche sind die unergiebigen und welche die nahrhaften, ist es gut, sie hier auszureißen und dort wieder anzusäen, die einen zu verbreiten, die anderen auszurotten; kurzum, man muss sich in der Wissenschaft auf dem laufenden halten durch Broschüren und Tageblätter, stets rege sein, um hinzuweisen auf Verbesserungen …«
    Die Wirtin ließ den Eingang des Café Français nicht aus den Augen, und der Apotheker fuhr fort:
    »Gebe Gott, dass unsere Landwirte Chemiker wären oder wenigstens mehr auf die Ratschläge der Wissenschaft hörten! So habe ich selbst letzthin ein stattliches kleines Werk verfasst, eine Abhandlung von mehr als zweiundsiebzig Seiten mit dem Titel: Über den Cidre, seine Herstellung und seine Auswirkungen, nebst einigen neuen Überlegungen zu diesem Thema , und ich habe sie der Agronomischen Gesellschaft in Rouen geschickt; was mir sogar die Ehre eingetragen hat, als eines ihrer Mitglieder aufgenommen zu werden, Sektion Landwirtschaft, Abteilung Pomologie; ja, und wäre meine Schrift in der Öffentlichkeit bekannt geworden …«
    Aber der Pharmazeut verstummte, denn Madame Lefrançois schien mit andern Gedanken beschäftigt.
    »Schauen Sie doch!« sagte sie, »man begreift’s nicht! so eine Sudelkneipe!«
    Und mit einem Schulterzucken, das die Maschen ihrer Strickjacke über der Brust auseinanderzog, deutete sie beidhändig auf das Wirtshaus ihres Konkurrenten, aus dem Lieder schallten.
    »Übrigens macht er’s nicht mehr lange«, fügte sie hinzu; »in acht Tagen ist alles vorbei.«
    Homais wich verdutzt einen Schritt zurück. Sie kam ihre drei Stufen herunter und flüsterte ihm ins Ohr:
    »Was! Sie wissen es nicht? Er wird noch diese Woche gepfändet. Lheureux zwingt ihn zum Verkauf. Er hat ihn mit Wechseln erledigt.«
    »Welch grauenvolle Katastrophe!« rief der Pharmazeut, denn er fand für alle nur denkbaren Umstände stets passende Worte.
    Die Wirtin begann ihm die Geschichte zu erzählen, die sie von Théodore wusste, Monsieur Guillaumins Diener, und obwohl sie Tellier verabscheute, tadelte sie Lheureux. Er sei ein Schlitzohr, ein Kriecher.
    »Oh! aufgepasst!« sagte sie, »da drüben steht er, unter der Markthalle; er grüßt Madame Bovary, und sie trägt einen grünen Hut. Ja, sie geht sogar am Arm von Monsieur Boulanger.«
    »Madame Bovary!« sagte Homais. »Ich muss ihr schleunigst meine Verehrung bezeugen. Vielleicht erfreut es sie, einen Platz in der Einfriedung zu bekommen, unter der Säulenhalle.«
    Und ohne auf Mutter Lefrançois zu hören, die ihn zurückrief und weitererzählen wollte, entschwand der Apotheker eiligen Schritts, ein Lächeln auf den Lippen und stolz wie ein Gockel, nach rechts und links Grüße verteilend und viel Raum ausfüllend mit den langen Schößen seines schwarzen Fracks, die hinter ihm herflatterten im Wind.
    Rodolphe, der ihn von weitem erblickt hatte, schlug ein rascheres Tempo an; doch Madame Bovary geriet außer Atem; er ging also langsamer und sagte lächelnd, in rohem Ton:
    »Ich will diesem feisten Kerl ausweichen: Sie wissen, der Pharmazeut.«
    Sie gab ihm einen Stoß mit dem Ellbogen.
    »Was soll das heißen?« fragte er sich.
    Und im Weitergehen

Weitere Kostenlose Bücher