Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
Schritt.
    »Richt’t euch!« brüllte Binet.
    »Stillgestanden!« brüllte der Oberst. »Links um!«
    Und nach einem Präsentieren, bei dem das aufeinanderfolgende Klacken der Gewehrringe schepperte wie ein Kupferkessel, der die Treppe hinunterhüpft, setzten alle ihre Gewehre ab.
    Nun sah man der Karosse einen Herrn in kurzem Rock mit Silberstickerei entsteigen, kahle Stirn, auf dem Hinterhaupt ein Toupet, bleiches Gesicht und äußerst gutmütige Erscheinung. Seine beiden Augen, vorstehend und bedeckt von dicken Lidern, schlossen sich halb, um die Menschenmasse zu betrachten, gleichzeitig hob er die spitze Nase und verzog den eingefallenen Mund zum Lächeln. Den Bürgermeister erkannte er an seiner Schärpe und setzte ihm auseinander, dass der Präfekt nicht habe kommen können. Er wiederum sei Präfekturrat; dann murmelte er noch ein paar Entschuldigungen. Tuvache antwortete mit Höflichkeiten, der andere erklärte sich beschämt; und so blieben sie stehen, Auge in Auge, und fast berührten sich ihre Stirnen, ringsum die Mitglieder der Jury, der Gemeinderat, die Notabeln, die Nationalgarde und die Menge. Der Herr Präfekturrat drückte seinen kleinen schwarzen Dreispitz gegen die Brust, wiederholte seine Grüße, während Tuvache einen Buckel machte, ebenfalls lächelte, stotterte, nach Worten suchte, seine Treue zur Monarchie beteuerte und für die Ehre dankte, die man Yonville erwies.
    Hippolyte, der Stallbursche vom Gasthof, kam herbei, nahm die Zügel der Kutschpferde, und auf seinem Klumpfuß hinkend, führte er sie in die Hofeinfahrt des Lion d’or , wo viele Bauern zusammenliefen, den Wagen zu bestaunen. Die Trommel schlug, die Haubitze donnerte und die Herren schritten nacheinander hinauf zur Tribüne und setzten sich in die Lehnstühle aus rotem Utrechter Plüsch, eine Leihgabe von Madame Tuvache.
    All diese Leute glichen einander. Ihre weichen, hellhäutigen Gesichter, von der Sonne leicht gebräunt, hatten die Farbe von süßem Cidre, und ihre fülligen Backenbärte quollen aus großen steifen Kragen, die zusammengehalten wurden von weißen Halsbinden mit ausladender Rosette. Alle Westen waren aus Samt, mit Schalkragen; alle Uhren hatten am Ende eines langen Bandes irgendein ovales Siegel aus Karneol; und beide Hände stemmte man auf beide Schenkel, spreizte sorgfältig den Zwickel der Hosen, deren nicht dekatiertes Tuch heller glänzte als das Leder der groben Stiefel.
    Die Damen der Gesellschaft hatten ihre Sitze weiter hinten, unter der Vorhalle, zwischen den Säulen, die große Masse jedoch stand gegenüber oder saß auf Stühlen. Tatsächlich hatte Lestiboudois alle aufgereiht, die er von der Wiese herbeigeschafft hatte, und ständig lief er zur Kirche, um neue zu holen, und er verursachte mit seinem Hin und Her ein solches Durcheinander, dass man die kleine Treppe zur Tribüne nur mit größter Mühe erreichte.
    »Ich finde ja«, sagte Monsieur Lheureux (sich an den Apotheker wendend, der gerade vorbeikam und zu seinem Platz wollte), »man hätte zwei venezianische Masten hier aufpflanzen sollen: mit ein bisschen Strenge und Prunk als Neuheit, eine Augenweide wär das gewesen.«
    »Sicher«, antwortete Homais. »Aber was wollen Sie! der Bürgermeister hat alles auf seine Kappe genommen. Er hat nicht viel Geschmack, der arme Tuvache, er ist sogar bar jeglichen Kunstverstands.«
    Indessen war Rodolphe mit Madame Bovary in den ersten Stock des Rathauses hinaufgegangen, in das Besprechungszimmer , und da es leer war, hatte er erklärt, hier sei man gut aufgehoben und könne das Schauspiel in angenehmster Weise genießen. Er holte drei Schemel von dem ovalen Tisch unter der Büste des Monarchen, und nachdem er sie an eines der Fenster gestellt hatte, setzten sie sich nebeneinander.
    Unruhe entstand auf der Tribüne, es gab langes Geflüster, Verhandlungen. Schließlich erhob sich der Herr Präfekturrat. Man wusste inzwischen, dass er Lieuvain hieß, und sagte sich den Namen von Ohr zu Ohr, in der Menge. Als er nun einige Blätter geordnet und sich vor die Nase gehalten hatte, um besser zu sehen, hob er an:

    »Meine Herren,
    es sei mir zunächst gestattet (bevor ich zum eigentlichen Gegenstand unserer heutigen Versammlung komme, und ich bin überzeugt, Sie alle werden dieses Gefühl mit mir teilen), es sei mir gestattet, sagte ich, die oberste Verwaltung, die Regierung, den Monarchen, meine Herren, unseren Herrscher zu würdigen, diesen inniggeliebten König, dem kein Zweig des öffentlichen oder

Weitere Kostenlose Bücher