Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
um schneller durchzukommen, dem Gendarmen sein blaues Schild und blieb zuweilen sogar vor einem schönen Exemplar stehen, das Madame Bovary nicht im geringsten bewunderte. Er merkte es und begann sich über die Damen aus Yonville zu mokieren, wegen ihrer Kleidung; dann entschuldigte er sich ob der Nachlässigkeit seiner eigenen. Sie zeigte jenes Durcheinander aus Gewöhnlichem und Erlesenem, in dem der kleine Mann gemeinhin den Beweis für ein exzentrisches Leben zu erkennen glaubt, für Zügellosigkeit der Gefühle, Diktatur der Kunst und stets auch eine gewisse Verachtung der gesellschaftlichen Regeln, was ihn besticht oder erzürnt. So bauschte sich bei jedem Windstoß das Batisthemd mit den plissierten Manschetten im Ausschnitt seiner Weste aus grauem Drillich, und die breitgestreifte Hose enthüllte an den Knöcheln seine Nankingstiefeletten mit Lacklederschaft. Sie glänzten so sehr, dass sich Grashalme in ihnen spiegelten. Er trat damit in Pferdeäpfel, eine Hand an der Westentasche und den Strohhut schräg auf dem Kopf.
»Außerdem«, setzte er hinzu, »wenn man auf dem Lande wohnt …«
»Ist alle Mühe vergeblich«, sagte Emma.
»Das ist wahr!« erwiderte Rodolphe. »Denken Sie nur, keiner dieser guten Leute ist imstande, die Eleganz eines Fracks zu begreifen!«
Dann sprachen sie über die Mittelmäßigkeit der Provinz, über Existenzen, die hier erstickten, Illusionen, die hier verlorengingen.
»Darum«, sagte Rodolphe, »versinke ich ja in Traurigkeit …«
»Sie!« fragte Madame Bovary überrascht. »Und ich habe Sie für sehr fröhlich gehalten?«
»Ach! ja, dem Anschein nach, weil ich es verstehe, in Gesellschaft die Maske des Spaßvogels aufzusetzen; doch wie oft habe ich mir beim Anblick eines Friedhofs, im Mondenschein, schon gesagt, ich sollte mich vielleicht besser zu den Schlafenden legen …«
»Oh! Und Ihre Freunde?« meinte sie. »An die denken Sie nicht.«
»Meine Freunde? welche denn? habe ich Freunde? Wer schert sich um mich?«
Und er begleitete seine letzten Worte mit einer Art leisem Pfiff.
Doch sie mussten für einen Augenblick auseinandertreten, wegen hoch aufgestapelter Stühle, die ein Mann hinter ihnen hertrug. Er war so beladen, dass man nur die Spitzen seiner Holzpantinen sah und die Enden seiner weit ausgestreckten Arme. Es war Lestiboudois, der Totengräber, der die Kirchenstühle durch die Menschenmasse schleppte. Einfallsreich in allem, was seine Interessen betraf, hatte er diesen Weg gefunden, aus der Landwirtschaftsausstellung Vorteil zu schlagen; und seine Idee hatte Erfolg, denn er wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Den Dorfbewohnern war heiß, sie rissen sich um diese Sitzgelegenheiten, deren Stroh nach Weihrauch duftete, und sie ruhten an den von Kerzenwachs vertröpfelten, mächtigen Rückenlehnen mit einer gewissen Ehrfurcht.
Madame Bovary nahm wieder Rodolphes Arm; er fuhr fort, als spräche er zu sich selbst:
»Ja! so vieles hat mir gefehlt! immer allein! Ach! hätte ich nur ein Ziel gehabt im Leben, wäre ich einer Liebe begegnet, hätte ich jemanden gefunden … Oh! ich hätte alle Energie aufgewandt, zu der ich fähig bin, ich hätte alle Hindernisse überwunden, alle Ketten gesprengt!«
»Dennoch scheint mir«, sagte Emma, »dass Sie nicht zu beklagen sind.«
»Ach! finden Sie?« fragte Rodolphe.
»Immerhin …«, begann sie von neuem, »Sie sind frei.«
Sie zögerte:
»Reich.«
»Verspotten Sie mich nicht«, antwortete er.
Und sie schwor, sie verspotte ihn keineswegs, da krachte ein Kanonenschlag; sogleich drängte alles wild durcheinander in Richtung Dorf.
Es war blinder Alarm. Der Herr Präfekt erschien keineswegs; und die Mitglieder der Jury waren in großer Verlegenheit, denn sie wussten nicht, ob sie die Veranstaltung eröffnen sollten oder noch weiter zuwarten.
Endlich näherte sich vom anderen Ende des Platzes eine große Mietdroschke, gezogen von zwei mageren Pferden, denen ein Kutscher mit weißem Hut tüchtig die Peitsche gab. Binet konnte gerade noch brüllen: »An die Waffen!« und desgleichen der Oberst. Alles lief zu den Gewehrpyramiden. Alles rannte. Manch einer vergaß sogar seinen Kragen. Die Equipage des Präfekten schien diese Verwirrung jedoch zu ahnen, und die beiden zusammengekoppelten Rösser kamen, an ihrer Deichselkette watschelnd, genau in dem Augenblick gemächlich vor die Säulenhalle des Rathauses getrabt, als Nationalgarde und Feuerwehr aufmarschierten, samt Trommelwirbel und zackigem
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