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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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kriegen, für etwa hundert Écu …«
    Er fügte hinzu:
    »Ich dachte, es würde dich freuen, drum hab ich sie sogar zurückstellen lassen …, drum hab ich sie gekauft … War das gut so? Sag doch?«
    Sie nickte zustimmend; dann, eine Viertelstunde später:
    »Gehst du heut abend weg?« fragte sie.
    »Ja. Warum?«
    »Ach! Nur so, mein Freund.«
    Und als sie Charles endlich vom Halse hatte, lief sie hinauf in ihr Zimmer und schloss sich ein.
    Es war zunächst wie ein Taumel; sie konnte die Bäume sehen, die Wege, die Gräben, Rodolphe, und sie spürte noch seine Umarmungen, während die Blätter säuselten und die Binsen pfiffen.
    Doch als sie ihr Gesicht im Spiegel erblickte, war sie überrascht. Nie zuvor waren ihre Augen so groß gewesen, so schwarz, so tiefgründig. Etwas Hauchzartes auf ihrer ganzen Gestalt hatte sie verwandelt.
    Immer wieder sagte sie: »Ich hab einen Geliebten! einen Geliebten!« und sie berauschte sich an dieser Vorstellung, als wäre ihr eine zweite Mädchenblüte zuteil geworden. Sie würde nun endlich die Freuden der Liebe erfahren, jenes fiebrige Glück, das sie schon verloren geglaubt hatte. Sie stand vor etwas Wunderbarem, und alles verhieß Leidenschaft, Ekstase, Verzückung; blauschimmernde Unermesslichkeit war um sie herum, die Gipfel des Empfindens funkelten vor ihren Gedanken, und das gewöhnliche Leben zeigte sich nur ganz ferne, tief unten, im Dunkel, am Fuß dieser Höhen.
    Nun dachte sie an die Heldinnen all der gelesenen Bücher, und die holde Heerschar dieser Ehebrecherinnen sang in ihrer Erinnerung mit schwesterlichen Stimmen, die sie verzauberten. Sie selbst wurde gleichsam ein Teil dieser Phantasien und verwirklichte die endlose Träumerei ihrer Jugend, denn sie erkannte sich in jenem Bild der liebenden Frau, die sie maßlos beneidet hatte. Zudem kostete Emma die Befriedigung der Rache. Hatte sie nicht genug erduldet! Doch jetzt triumphierte sie, und die so lang unterdrückte Liebe brach hervor wie ein fröhlich sprudelnder Quell. Sie labte sich ohne Gewissenspein, ohne Furcht, ohne Zweifel.
    Der folgende Tag verstrich in neuer Wonne. Sie schworen Eide. Emma erzählte von ihrem traurigen Dasein. Rodolphe unterbrach sie durch Küsse; und sie bat, mit halb geschlossenen Lidern zu ihm aufblickend, er möge noch einmal ihren Namen sagen und wiederholen, dass er sie liebe. Es war im Wald, wie tags zuvor, in der Kate eines Holzschuhmachers. Die Wände waren aus Stroh, und das Dach reichte so weit herab, dass man sich bücken musste. Sie saßen eng beisammen auf einem Lager aus trockenem Laub.
    Von diesem Tag an schrieben sie einander regelmäßig jeden Abend. Emma hinterlegte ihren Brief im hintersten Winkel des Gartens, beim Flussufer, wo ein Spalt war in der Terrasse. Rodolphe holte ihn dort und verbarg einen andern, über dessen Kürze sie jedesmal klagte.
    Eines Morgens, als Charles vor Sonnenaufgang losgeritten war, überkam sie der Wunsch, Rodolphe auf der Stelle zu sehen. Man konnte geschwind nach La Huchette laufen, eine Stunde dort bleiben und wieder zurück sein in Yonville, wenn alles noch schlief. Bei diesem Gedanken stockte ihr vor Begierde der Atem, und wenig später war sie mitten auf der Wiese, wo sie rasch einherschritt, ohne sich umzublicken.
    Der Tag begann langsam zu grauen. Emma erkannte von weitem das Haus ihres Geliebten, die zwei schwalbenschwanzförmigen Wetterfahnen standen schwarz vor der fahlen Dämmerung.
    Hinter dem Gehöft lag ein herrschaftlicher Bau, der war gewiss das Schloss. Sie ging hinein, als hätten sich die Mauern bei ihrem Näherkommen von ganz alleine aufgetan. Eine große, gerade Treppe führte hoch zu einem Flur. Emma drückte die Klinke einer Tür, und plötzlich entdeckte sie hinten im Raum einen schlafenden Mann. Es war Rodolphe. Ihr entfuhr ein Schrei.
    »Da bist du! da bist du!« sagte er. »Wie hast du es angestellt herzukommen? … Oh, dein Kleid ist nass!«
    »Ich liebe dich!« erwiderte sie und schlang ihm die Arme um den Hals.
    Nachdem ihr diese erste Waghalsigkeit gelungen war, zog Emma nun jedesmal, wenn Charles frühmorgens losritt, schnell ihre Kleider an und schlich auf Zehenspitzen über die Stufen, hinab zum Wasser.
    Wenn jedoch der Steg für die Kühe fortgenommen war, musste sie am Fluss entlang den Mauern folgen; der Uferweg war rutschig; um nicht zu stürzen, musste sie sich mit der Hand an verblühte Goldlacksträucher klammern. Dann ging sie quer über die bestellten Äcker, wo sie mit ihren zarten Stiefelchen

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