Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Sonnenstrahl fiel, streute Funken über den Spiegel, zwischen die Verästelungen des Korallenstocks.
Rodolphe blieb stehen; und Emma antwortete einsilbig auf seine ersten Höflichkeitsfloskeln.
»Ich«, sagte er, »war beschäftigt. Ich war krank.«
»Ernstlich?« rief sie.
»Na ja«, meinte Rodolphe und setzte sich neben sie auf einen Hocker, »nein! … Ich wollte nicht kommen.«
»Warum?«
»Ahnen Sie es nicht?«
Er musterte sie wieder, aber diesmal so eindringlich, dass sie errötend den Kopf senkte. Er begann abermals:
»Emma …«
»Monsieur!« sagte sie und rückte ein wenig zur Seite.
»Ah! sehen Sie«, erwiderte er mit melancholischer Stimme, »ich hatte recht, nicht herkommen zu wollen; denn dieser Name, dieser Name, der meine Seele ausfüllt und der mir gerade entschlüpft, Sie verbieten ihn mir! Madame Bovary! … Das ist gar nicht Ihr Name; das ist der Name eines anderen!«
Er wiederholte:
»Eines anderen!«
Und er barg sein Gesicht in den Händen.
»Ja, ich denke immerzu an Sie! … Die Erinnerung an Sie lässt mich verzweifeln! Ah! entschuldigen Sie! … Ich muss fort … Leben Sie wohl! … Ich gehe weit weg, so weit, dass Sie nichts mehr von mir hören! … Und dennoch …, heute …, ich weiß nicht, welche Macht mich wieder hergetrieben hat zu Ihnen! Man ringt ja nicht mit dem Himmel, man widersteht nicht dem Lächeln der Engel! man lässt sich verführen von Schönheit, Zauber, Liebreiz!«
Zum ersten Mal drangen solche Dinge an Emmas Ohr; und wie jemand, der sich bei einem Dampfbad entspannt, räkelte sich ihr Stolz träge und hingebungsvoll in der Hitze dieser Sprache.
»Auch wenn ich nicht gekommen bin«, fuhr er fort, »wenn ich Sie nicht sehen durfte, ah! so habe ich mir wenigstens alles, was Sie umgibt, ganz genau angeschaut. In der Nacht, in jeder Nacht, stand ich auf, lief hierher, blickte auf Ihr Haus, sein Dach, es glänzte im Mondschein, die Bäume im Garten, die sich vor Ihrem Fenster wiegten, und eine kleine Lampe, ein Licht glänzte durch die Scheiben, in der Finsternis. Ah! Sie wussten es nicht, da draußen stand, so nah und so fern, ein armer Elender …«
Sie drehte sich zu ihm, aufschluchzend.
»Oh! Sie sind gut!« sagte sie.
»Nein, ich liebe Sie, das ist alles! Sie wissen das auch! Sagen Sie’s mir; nur ein Wort! ein einziges Wort!«
Und Rodolphe ließ sich fast unmerklich vom Hocker auf den Boden gleiten; doch aus der Küche drang das Klappern von Holzpantinen, und die Stubentür, merkte er, war nicht geschlossen.
»Hätten Sie die Güte«, redete er im Aufstehen weiter, »mir einen Wunsch zu erfüllen?«
Ihm lag daran, ihr Haus zu sehen; er wollte es kennen; Madame Bovary hatte nichts dagegen, und beide erhoben sich gerade, als Charles eintrat.
»Guten Tag, Doktor«, sagte Rodolphe.
Der Arzt, geschmeichelt durch diesen unerwarteten Titel, erging sich in öligen Höflichkeiten, und der andere hatte Zeit, sich ein wenig zu fassen.
»Madame sprach soeben«, sagte er nun, »von ihrem Befinden …«
Charles unterbrach ihn: freilich, er habe tausend Sorgen; seine Frau leide von neuem unter Beklemmung. Da fragte Rodolphe, ob ihr Reiten nicht guttun könnte.
»Gewiss! ausgezeichnet, vortrefflich! … Großartiger Einfall! Den solltest du beherzigen.«
Und als sie einwandte, sie besitze kein Pferd, bot Monsieur Rodolphe eines an; sie schlug sein Angebot aus; er drängte nicht weiter; um seinen Besuch zu rechtfertigen, erzählte er dann, sein Fuhrknecht, der Mann mit dem Aderlass, fühle sich immer noch schwindlig.
»Ich werde vorbeischauen«, sagte Bovary.
»Nein, nein, ich schicke ihn her; wir kommen, das ist einfacher für Sie.«
»Ah! sehr gut. Ich danke Ihnen.«
Und sobald sie allein waren:
»Warum willst du Monsieur Boulangers Vorschlag nicht annehmen, er ist doch so freundlich gemeint?«
Sie verzog schmollend das Gesicht, suchte nach tausend Ausreden und erklärte schließlich, vielleicht könnte es ja seltsam wirken .
»Ach! das juckt mich nicht!« sagte Charles und drehte eine Pirouette. »Die Gesundheit geht vor! Du machst einen Fehler!«
»Na! wie soll ich denn reiten, ich besitze nicht mal ein Reitkleid?«
»Du musst eins in Auftrag geben!« erwiderte er.
Das Reitkleid überzeugte sie.
Als das Kostüm fertig war, schrieb Charles an Monsieur Boulanger, seine Frau stehe ihm zur Verfügung und sie rechneten auf seine Liebenswürdigkeit.
Am nächsten Tag um zwölf stand Rodolphe mit zwei herrschaftlichen Pferden vor Charles’ Haustür.
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