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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Lassreidel gefällt hatte. Sie setzten sich auf einen umgelegten Baumstamm, und Rodolphe sprach nun von seiner Liebe.
    Er verschreckte sie nicht gleich durch Komplimente. Er war ruhig, ernst, melancholisch.
    Emma lauschte, den Kopf gesenkt, und wühlte mit der Fußspitze in den Holzspänen am Boden.
    Doch bei dem Satz:
    »Sind unser beider Geschicke jetzt nicht miteinander verwoben?«
    »O nein!« entgegnete sie. »Das wissen Sie auch. Es ist unmöglich.«
    Sie erhob sich und wollte gehen. Er griff nach ihrem Handgelenk. Sie blieb stehen. Nachdem sie ihn ein paar Minuten mit verliebten und ganz feuchten Augen angesehen hatte, sagte sie rasch:
    »Ach was! sprechen wir nicht mehr davon … Wo sind die Pferde? Kehren wir um.«
    Er machte eine zornige, ärgerliche Gebärde. Sie wiederholte:
    »Wo sind die Pferde? Wo sind die Pferde?«
    Da lächelte er ein merkwürdiges Lächeln, und mit starrem Blick, zusammengebissenen Zähnen kam er näher, die Arme weit ausgebreitet. Sie wich zitternd zurück. Sie stammelte:
    »Oh! Sie ängstigen mich! Sie quälen mich! Gehen wir.«
    »Wenn es sein muss«, erwiderte er mit verändertem Gesicht.
    Und er wurde sogleich wieder höflich, aufmerksam, schüchtern. Sie reichte ihm den Arm. Sie kehrten um. Er sagte:
    »Was hatten Sie nur? Warum? Ich habe nichts verstanden! Sie irren, ganz bestimmt! Sie thronen in meiner Seele wie eine Madonna auf dem Postament, hoch oben, stark, unbefleckt. Aber ich brauche Sie zum Leben! Ich brauche Ihre Augen, Ihre Stimme, Ihre Gedanken. Seien Sie meine Freundin, meine Schwester, mein Engel!«
    Und er streckte den Arm aus, umfasste ihre Taille. Sie versuchte kraftlos freizukommen. Er hielt sie sorgsam fest im Gehen.
    Doch sie hörten die beiden Pferde Blätter rupfen.
    »Oh! ein bisschen noch«, sagte Rodolphe. »Nicht schon gehen! Bleiben Sie!«
    Er führte sie weiter zu einem kleinen Teich, auf dem Wasserlinsen als grüner Schleier lagen. Verblühte Seerosen standen reglos zwischen den Binsen. Beim Geräusch ihrer Schritte im Gras hüpften die Frösche, um sich zu verstecken.
    »Es ist falsch, falsch«, sagte sie. »Ich bin verrückt auf Sie zu hören.«
    »Warum? … Emma! Emma!«
    »Oh! Rodolphe! …« sagte die junge Frau langsam und sank an seine Schulter.
    Der Stoff ihres Kleides schmiegte sich an den Samt seines Rocks. Sie warf ihren weißen Hals zurück, dem sich ein Seufzer entrang; und halb ohnmächtig, unter Tränen, mit einem langen Schauder und ihr Gesicht verbergend, ergab sie sich.
    Die Schatten des Abends sanken hernieder; die knapp über dem Horizont stehende Sonne fiel durchs Geäst und blendete ihr die Augen. Hier und da, um sie herum, in den Blättern oder am Boden, zitterten Lichtflecken, als hätten Kolibris im Fluge ihre Federn verstreut. Über allem lag Stille; etwas Liebliches schien den Bäumen zu entströmen; sie spürte ihr Herz, dessen Schläge wieder einsetzten, und das Blut, das durch ihr Fleisch pulsierte wie ein Strom von Milch. Dann hörte sie in der Ferne, jenseits des Waldes, auf den anderen Hügeln, einen unbestimmbaren, langgezogenen Ruf, eine Stimme, die nachhallte, und stumm lauschte sie diesem Ton, der sich gleich einer Musik mit den letzten Schwingungen ihrer erregten Nerven vereinte. Rodolphe, Zigarre zwischen den Zähnen, richtete mit seinem Taschenmesser einen der beiden Zügel, der gerissen war.
    Sie ritten auf demselben Weg zurück nach Yonville. Sie erblickten im Morast die Spuren ihrer Pferde, nebeneinander, und dieselben Büsche, dieselben Steine im Gras. Nichts um sie herum war verändert; und dennoch hatte sich für Emma etwas Größeres ereignet, als wären die Berge versetzt. Rodolphe neigte sich von Zeit zu Zeit herüber und nahm ihre Hand, um sie zu küssen.
    Sie war bezaubernd, zu Pferd! Kerzengerade, mit ihrer schlanken Taille, das Knie angewinkelt über der Mähne ihres Tiers und die Wangen rosig von der frischen Luft, im Abendrot.
    Als sie nach Yonville kamen, ließ sie ihr Pferd auf den Pflastersteinen tänzeln. Aus den Fenstern wurde sie beobachtet.
    Ihr Mann bemerkte beim Abendessen, sie sehe gut aus; sie aber schien nicht zu hören, als er sich nach ihrem Ausritt erkundigte; und sie verharrte reglos, den Ellbogen neben dem Tellerrand, zwischen den zwei brennenden Kerzen.
    »Emma!« sagte er.
    »Was?«
    »Also, ich habe heute nachmittag bei Monsieur Alexandre vorbeigeschaut; er hat eine halbwegs junge Stute, noch ganz schön, bloß ein bisschen schrundige Knie, und die könnte man sicherlich

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