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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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einsank, strauchelte und steckenblieb. Ihr Tuch, das sie um den Kopf gebunden hatte, flatterte über dem Weideland im Wind; sie hatte Angst vor Ochsen, sie begann zu laufen; wenn sie atemlos und mit geröteten Wangen ankam, verströmte ihre ganze Gestalt einen herben Wohlgeruch von Saft, Grün und frischer Luft. Rodolphe schlief noch um diese Zeit. Es war, als stürme ihm ein Frühlingsmorgen ins Zimmer.
    Durch die gelben Vorhänge an den Fenstern drang sachte ein schweres strohblondes Licht. Emma tastete sich blinzelnd voran, während die Tautropfen in ihrem Haar das Gesicht umrahmten wie eine topasbesetzte Aureole. Rodolphe zog sie lachend zu sich und drückte sie an sein Herz.
    Hinterher untersuchte sie das Zimmer, sie öffnete alle Schubladen an den Möbeln, sie kämmte sich mit seinem Kamm und schaute in den Rasierspiegel. Oft hielt sie gar den Stiel einer großen Pfeife im Mund, die auf dem Nachttisch lag, zwischen Zitronen und Zuckerstückchen, neben einer Karaffe mit Wasser.
    Fürs Abschiednehmen brauchten sie eine gute Viertelstunde. Dann weinte Emma; am liebsten hätte sie Rodolphe nie verlassen. Etwas, das stärker war als sie selbst, trieb sie zu ihm, und eines Tages, als er sie überraschend auftauchen sah, verzog er das Gesicht wie jemand, der gestört wird.
    »Was hast du nur?« fragte sie. »Bist du krank? Sprich!«
    Schließlich erklärte er mit ernster Miene, ihre Besuche grenzten an Leichtsinn und sie werde sich kompromittieren.

    Anmerkungen

X.

    Allmählich wurde sie von Rodolphes Ängsten angesteckt. Die Liebe hatte sie betört in der ersten Zeit, und sie hatte an nichts anderes gedacht. Doch nun, da diese ihrem Leben unentbehrlich war, fürchtete sie, etwas von ihr einzubüßen, oder dass sie vielleicht getrübt werden mochte. Wenn sie von ihm kam, schweiften ihre Blicke auf dem Heimweg bang umher, spähten nach jeder Gestalt, die am Horizont vorbeihuschte, und nach jeder Dachluke im Dorf, von der man sie entdecken konnte. Sie lauschte auf jeden Schritt, jeden Ruf, jedes Klappern eines Pfluges; und sie hielt inne, bleicher und zittriger als das Pappellaub, das über ihrem Kopf schaukelte.
    Eines Morgens, als sie nach Hause lief, war ihr plötzlich, sie sehe den langen Lauf einer Büchse auf sich gerichtet. Er ragte schräg über den Rand eines kleinen Fasses, halb im Gras verborgen am Straßengraben. Emma, fast ohnmächtig vor Schreck, ging dennoch weiter, und ein Mann schnellte aus dem Fass wie das Teufelchen aus seiner Schachtel. Die Gamaschen reichten bis zum Knie, die Mütze hing tief ins Gesicht, die Lippen bebten vor Kälte, und die Nase leuchtete rot. Es war Hauptmann Binet, auf der Pirsch nach Wildenten.
    »Sie hätten von weitem rufen müssen!« schrie er. »Wenn man ein Gewehr erblickt, heißt es immer warnen.«
    Der Steuereinnehmer versuchte auf diese Weise die Angst zu überspielen, die ihn gerade erfüllt hatte; denn ein Erlass der Präfektur untersagte, außer zu Wasser, die Entenjagd, und Binet hatte sich, trotz seiner Achtung vor dem Gesetz, einer Übertretung schuldig gemacht. Darum glaubte er auch jeden Augenblick den Feldhüter kommen zu hören. Dieser Grusel jedoch befeuerte sein Vergnügen, und so, allein in dem Fass, freute er sich über sein Glück und seine Gerissenheit.
    Als er Emma gewahrte, schien eine schwere Last von ihm abzufallen, und sogleich, ein Gespräch anknüpfend:
    »Nicht gerade warm heute, scharfes Lüftchen !«
    Emma gab keine Antwort. Er redete weiter:
    »Und Sie, schon so früh unterwegs?«
    »Ja«, stotterte sie; »ich komme von der Amme, wo mein Kind ist.«
    »Aha, soso! soso! Ich dagegen, wie Sie mich hier sehen, ich bin seit Morgengrauen auf dem Posten; aber das Wetter ist zu nieselig, wenn einem das Federvieh nicht gerade vor die Mündung fliegt …«
    »Guten Tag, Monsieur Binet«, unterbrach sie und lief davon.
    »Gehorsamster Diener, Madame«, erwiderte er schroff.
    Und er kroch zurück in sein Fass.
    Emma reute es, dass sie den Steuereinnehmer einfach hatte stehenlassen. Bestimmt würde er unerfreuliche Vermutungen anstellen. Die Geschichte mit der Amme war die allerdümmste Ausrede, jeder wusste in Yonville, dass die kleine Bovary seit einem Jahr wieder bei ihren Eltern lebte. Außerdem wohnte niemand in der Umgebung; dieser Weg führte einzig und allein nach La Huchette; Binet hatte also erraten, wo sie herkam, und er würde nicht schweigen, er würde tratschen, das war sicher! Bis zum Abend zermarterte sie sich das Hirn mit allen

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