Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
und fuhr mit der Hand über die Krinoline oder die Häkchen.
»Hast du bisher nichts zu sehen bekommen?« lachte Félicité; »als würde deine Chefin, Madame Homais, nicht die gleichen Dinger tragen.«
»Ach ja, natürlich! Madame Homais!«
Und versonnen setzte er hinzu:
»Ist sie eine Dame so wie Madame?«
Doch Félicité wurde es lästig, dass er um sie herumschlich. Sie war sechs Jahre älter, und Théodore, Monsieur Guillaumins Diener, fing an, ihr den Hof zu machen.
»Lass mich in Ruhe!« sagte sie und griff nach dem Topf mit der Stärke. »Geh lieber Mandeln zerstampfen; ständig schnüffelst du bei den Frauen rum; damit hast du noch Zeit, lumpiger Lausbub, bis dir Flaum sprießt am Kinn.«
»Oh, bitte nicht gleich böse werden, ich will Ihnen auch ihre Stiefelchen putzen .«
Und sofort schnappte er sich vom Kaminsims Emmas Schuhe, verkrustet mit Dreck – dem Dreck der Rendezvous – , der zwischen seinen Fingern als Staub herniederfiel und den er langsam emporsteigen sah in einem Sonnenstrahl.
»Du hast wohl Angst, sie zu verderben!« sagte die Köchin, die selber beim Reinigen keine großen Umstände machte, weil Madame, wenn der Stoff nicht mehr so schön war, sie ihr überließ.
Emma hatte unzählige in ihrem Schrank und verluderte sie nacheinander, ohne dass Charles sich jemals die leiseste Bemerkung erlaubte.
Und so berappte er auch dreihundert Franc für ein Holzbein, denn sie hielt es für geziemend, Hippolyte eins zu schenken. Die Hachse war mit Kork überzogen, und sie hatte Federgelenke, eine komplizierte Mechanik, die verborgen lag unter einer schwarzen Hose, und das ganze endete in einem Lackstiefel. Doch Hippolyte getraute sich nicht, ein so schönes Bein tagein, tagaus zu benutzen, und er bat Madame Bovary, ihm ein anderes, bequemeres zu verschaffen. Der Arzt beglich selbstverständlich die Kosten auch dieser Anschaffung.
Der Stallbursche konnte nach und nach wieder seine Arbeit verrichten. Man sah ihn wie einst im Dorf umherlaufen, und wenn Charles von weitem, auf den Pflastersteinen, das harte Klopfen seines Knüppels hörte, nahm er geschwind einen anderen Weg.
Monsieur Lheureux, der Händler, hatte sich um die Bestellung gekümmert; das bot ihm Gelegenheit, Emma zu besuchen. Er plauderte mit ihr über neue Lieferungen aus Paris, über tausenderlei Krimskrams für Frauen, zeigte sich äußerst entgegenkommend und verlangte nie Geld. Emma ergab sich der Leichtigkeit, all ihre Launen zu befriedigen. Einmal wollte sie, als Geschenk für Rodolphe, eine besonders schöne Reitpeitsche aus einem Schirmladen in Rouen. Monsieur Lheureux legte sie ihr eine Woche später auf den Tisch.
Doch am Tag darauf erschien er bei ihr mit einer Rechnung über zweihundertsiebzig Franc, nicht mitgezählt die Centimes. Emma kam in große Verlegenheit: alle Schreibtischladen waren leer; sie schuldete Lestiboudois mehr als vierzehn Tage, der Dienstmagd zwei Vierteljahre, dazu noch viel anderes, und Bovary erwartete ungeduldig das Honorar von Monsieur Derozerays, der jährlich um Sankt Peter zu bezahlen pflegte.
Es gelang ihr fürs erste, Lheureux abzuwimmeln; schließlich verlor er die Geduld: man stelle Forderungen an ihn, er sitze auf zu vielen Außenständen, und wenn nicht einiges wieder hereinkomme, sei er gezwungen, sich alle Waren zurückzuholen, die sie habe.
»Na! dann holen Sie doch alles zurück!« sagte Emma.
»Oh! das war nicht ernst gemeint!« erwiderte er. »Bloß um die Reitpeitsche ist es mir leid. Ach ja! ich werde Monsieur darauf ansprechen.«
»Nein! nein!« rief sie.
»Aha! jetzt hab ich dich!« dachte Lheureux.
Und seiner Entdeckung gewiss, ging er fort, halblaut vor sich hin murmelnd mit seinem üblichen Zischeln:
»Schon gut! wir werden sehen! wir werden sehen!«
Sie grübelte, was ihr aus der Klemme helfen könnte, da trat die Köchin herein und legte ein blaues Papierröllchen auf den Kamin, von Monsieur Derozerays . Emma stürzte hin, öffnete. Darin waren fünfzehn Napoleondor. Die Summe reichte. Sie hörte Charles auf der Treppe; sie warf das Gold in die Lade und zog den Schlüssel ab.
Drei Tage später kam Lheureux wieder.
»Ich hätte Ihnen ein Arrangement zu unterbreiten«, sagte er; »vielleicht möchten Sie anstatt des vereinbarten Betrags lieber …«
»Hier ist er«, rief sie und zählte ihm vierzehn Napoleondor in die Hand.
Der Händler war sprachlos. Um seine Enttäuschung zu verbergen, erging er sich in Entschuldigungen und dienstfertigen Angeboten, die
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