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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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zum Schuss. Alles an ihm reizte sie jetzt, sein Gesicht, sein Aufzug, was er nicht sagte, seine ganze Person, kurzum sein Dasein. Sie bereute ihre einstige Tugend wie ein Verbrechen, und was noch davon übrig war, zerbrach unter den wilden Hieben ihres Stolzes. Sie berauschte sich an allen bösen Sarkasmen des triumphierenden Ehebruchs. Der Gedanke an ihren Liebhaber überkam sie mit schwindelerregender Verlockung: sie stürzte sich hinein mit ganzer Seele, hingetrieben zu diesem Bild durch neue Leidenschaft; und Charles war so losgelöst von ihrem Leben, so abwesend auf immer und ewig, so unmöglich und ausgelöscht, als müsste er sterben und läge vor ihren Augen im Todeskampf.
    Schritte waren zu hören auf dem Trottoir. Charles spähte hinaus; und durch die herabgelassene Jalousie sah er neben der Markthalle, in der prallen Sonne, Doktor Canivet, der sich mit seinem Tuch die Stirn wischte. Homais, hinter ihm, trug in der Hand einen großen roten Kasten, und alle beide gingen in Richtung Apotheke.
    Übermannt von jäher Zärtlichkeit und Entmutigung, drehte Charles sich zu seiner Frau und sagte:
    »Gib mir einen Kuss, meine Gute!«
    »Lass mich!« erwiderte sie, rot vor Wut.
    »Was hast du? was hast du?« stammelte er verdattert. »Beruhige dich! fass dich! … Du weißt ja, dass ich dich liebe! … komm!«
    »Jetzt reicht’s!« schrie sie mit furchtbarer Miene.
    Dann lief Emma aus der Stube und warf die Tür so kräftig ins Schloss, dass von der Wand das Barometer herabfiel und am Boden zersprang.
    Charles sank in seinen Armstuhl, verstört, und überlegte, was mit ihr sein mochte, dachte an ein Nervenleiden, weinte, und zugleich spürte er dunkel um sich her etwas Verhängnisvolles und Unbegreifliches.
    Als Rodolphe am Abend in den Garten kam, erwartete ihn seine Geliebte bereits unten an der Treppe, auf der ersten Stufe. Sie umarmten einander, und jeglicher Groll schmolz dahin wie Schnee in der Hitze dieses Kusses.

    Anmerkungen

XII.

    Sie fingen wieder an sich zu lieben. Oft sogar, mitten am Tag, schrieb Emma ihm plötzlich; dann winkte sie durchs Fenster Justin herbei, der rasch seinen Schurz aufknüpfte und nach La Huchette eilte. Rodolphe kam; sie musste ihm sagen, dass sie sich langweilte, dass ihr Mann widerlich war und ihr Leben grauenvoll!
    »Was soll ich dagegen tun?« rief er eines Tages ungehalten.
    »Oh! wenn du nur wolltest! …«
    Sie saß am Boden zwischen seinen Knien, das Haar aufgelöst, der Blick abwesend.
    »Wie denn?« fragte Rodolphe.
    Sie seufzte.
    »Wir könnten fortgehen …, irgendwohin …«
    »Du bist wirklich verrückt!« sagte er lachend. »Ist das die Möglichkeit?«
    Sie kam wieder darauf zurück; er schien nichts zu begreifen und lenkte das Gespräch in andere Bahnen.
    Was er nicht begriff, war diese ganze Aufregung bei einem so einfachen Fall wie der Liebe. Sie hatte einen Grund, eine Ursache und etwas wie eine Triebkraft für ihre Anhänglichkeit.
    Diese Zuneigung nämlich wuchs Tag für Tag mit dem Widerwillen gegen den Ehemann. Je mehr sie sich dem einen hingab, desto mehr verabscheute sie den anderen; nie fand sie Charles so unangenehm, seine Finger so derb, seinen Geist so schwerfällig, sein Benehmen so plump wie nach ihren Rendezvous mit Rodolphe, wenn sie ihn wiedersah. Während sie dann die tugendreiche Gattin spielte, geriet sie in Verzückung bei dem Gedanken an diesen Kopf, dessen schwarzes Haar sich um die sonnengebräunte Stirn lockte, an diese so kräftige und zugleich so elegante Gestalt, kurzum an diesen Mann, der so viel Erfahrung besaß in Verstandesdingen, so viel Glut im Begehren! Für ihn feilte sie ihre Fingernägel mit der Sorgfalt eines Ziselierers und für ihn war niemals genug Cold Cream auf ihrer Haut, niemals genug Patschuli in ihren Taschentüchern. Sie behängte sich mit Armspangen, Ringen, Halsbändern. Wenn er kommen sollte, füllte sie ihre beiden großen Vasen aus blauem Glas mit Rosen und schmückte ihr Zimmer und sich selbst wie eine Kurtisane, die einen Prinzen erwartet. Ihre Dienerin musste ständig Wäsche waschen; und den ganzen Tag kam Félicité nicht aus der Küche, wo der kleine Justin ihr häufig Gesellschaft leistete und beim Arbeiten zusah.
    Den Ellbogen auf dem langen Brett, wo sie bügelte, betrachtete er gierig all diesen Frauenkram, der ihn umgab: Unterröcke aus geköpertem Barchent, Fichus, Spitzenkragen und Negligé-Beinkleider, weit an den Hüften und nach unten hin schmal.
    »Wozu ist das gut?« fragte der junge Bursche

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