Madame Bovary
zurücklehnte. Er blieb aber nur noch
ein paar Minuten.
Als er fort war, sagte Homais zu Bovary:
»Das war eine ordentliche Abfuhr! Dem hab ichs mal gesteckt! Sie
habens ja mit angehört! Um darauf zurückzukommen: tun Sie das ja,
führen Sie Ihre Frau in das Theater, und wenns bloß deshalb wäre,
um diesen schwarzen Raben damit zu ärgern. Sapperlot! Wenn ich
einen Vertreter hätte, begleitete ich Sie selber! Aber halten Sie
sich dazu! Lagardy singt nur einen einzigen Abend. Er hat ein
Engagement nach England für ein Riesenhonorar! Übrigens soll er ein
toller Schwerenöter sein! Er schwimmt im Gold! Drei Geliebte bringt
er mit und seinen Leibkoch! Alle diese großen Künstler können nicht
rechnen. Sie brauchen ein verschwenderisches Dasein, es regt ihre
Phantasie an. Freilich enden sie im Spittel, weil sie in jungen
Jahren nicht zu sparen verstehen … Na, gesegnete Mahlzeit! Auf
Wiedersehn!«
Der Gedanke, das Theater zu besuchen, schlug in Bovarys Kopfe
schnell Wurzel. Er redete Emma in einem fort zu. Anfangs wollte sie
nichts davon wissen und meinte, sie fühle sich zu schwach, es sei
zu beschwerlich und zu kostspielig. Ausnahmsweise gab Karl nicht
nach, zumal er sich einbildete, daß ihr diese Zerstreuung sehr
dienlich wäre. Irgendwelche Schwierigkeit lag nicht vor. Seine Mutter hatte ihm jüngst ganz unvermutet
dreihundert Franken geschickt. Die laufenden Ausgaben waren nicht
groß, und die Wechselschuld bei Lheureux war noch lange nicht
fällig, so daß er daran nicht zu denken brauchte. Er dachte, Emma
sträube sich nur aus Rücksicht auf ihn. Deshalb bestürmte er sie
immer mehr, bis sie seinen Bitten schließlich nachgab. Am andern
Morgen um acht Uhr fuhren sie mit der Post ab.
Den Apotheker hielt nichts Dringliches in Yonville zurück, aber
er hielt sich für unabkömmlich. Als er die beiden einsteigen sah,
jammerte er.
»Glückliche Reise!« sagte er. »Habt ihrs gut!« Und zu Emma
gewandt, fügte er hinzu: »Sie sehen zum Anbeißen hübsch aus! Sie
werden in Rouen Furore machen!«
Die Post spannte in Rouen im »Roten Kreuz« am Beauvoisine-Platz
aus. Das war ein regelrechter Vorstadtgasthof mit geräumigen
Ställen und winzigen Fremdenzimmern. Mitten im Hofe lief eine Schar
Hühner herum, die unter den verschmutzten Einspännern der
Geschäftsreisenden ihre Haferkörner aufpickten. Es war eine der
Herbergen aus der guten alten Zeit. Sie haben morsche Holzbalkone,
die in den Winternächten im Winde knarren; die Gäste, der Lärm und
die Esserei werden in ihnen nie alle; die schwarzen Tischplatten
sind voller großer Kaffeeflecke, die trüben dicken Fensterscheiben
voller Fliegenschmutz und die feuchten Servietten voller
Rotweinspuren. Auf der Straßenseite gibt es ein Café und hinten
nach dem Freien zu einen Gemüsegarten. Alles trägt einen ländlichen
Anstrich.
Karl machte sofort einen Besorgungsgang. An der Theaterkasse
wußte er nicht, was Parkett, Proszeniumsloge, erster Rang und
Galerie war; er bat um Auskunft, wurde dadurch aber auch nicht
klüger. Der Kassierer wies ihn in die Direktion. Schließlich rannte
er noch einmal in den Gasthof zurück, dann wieder an die Kasse. Auf diese Weise lief er mehrmals durch die
halbe Stadt.
Frau Bovary kaufte sich einen neuen Hut, Handschuhe und Blumen.
Karl war fortwährend in Angst, den Beginn der Oper zu versäumen.
Und so nahmen sie sich beide keine Zeit, einen Bissen zu sich zu
nehmen. Als sie aber vor dem Theater ankamen, waren die Türen noch
geschlossen.
Kapitel 15
Eine Menge Menschen umlagerte die Eingänge. Überall an den Ecken
der in der Nähe gelegenen Straßen prangten riesige Plakate, die in
auffälligen Lettern ausschrien:
LUCIA VON LAMMERMOOR … OPER … DONIZETTI … GASTSPIEL …
LAGARDY …
Es war ein schöner, aber heißer Tag. Der Schweiß rann den Leuten
über die Stirn, und sie fächelten ihren erhitzten Gesichtern mit
den Taschentüchern Kühlung zu. Hin und wieder wehte lauer Wind vom
Strome her und blähte ein wenig die Leinwandmarkisen der
Restaurants. Weiter unten, an den Kais, wurde man durch einen
eisigen Luftzug abgekühlt, in den sich Gerüche von Talg, Leder und
Öl aus den zahlreichen dunklen, vom Rollen der großen Fässer
lärmigen Gewölben der Karren-Gasse mischten.
Aus Furcht, sich lächerlich zu machen, schlug Frau Bovary vor,
noch nicht in das Theater hineinzugehen und erst einen Spaziergang
durch die Hafenpromenaden zu machen. Dabei hielt Karl die
Eintrittskarten, die er in der Hosentasche trug,
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