Madame Bovary
zeigen zu müssen. Von allen
Feinden, die über die Liebe herfallen können, ist eine Bitte um
Geld der hartherzigste und gefährlichste.
Sie sah ihn erst lange fest an; dann sagte sie:
»Du hast sie nicht!« Und mehrere Male wiederholte sie: »Du hast
sie nicht!… Ich hätte mir diese letzte Schmach also ersparen
können! Du hast mich nie geliebt! Du bist nicht mehr wert als die
andern!«
Sie verriet sich und ihre Frauenehre.
Rudolf unterbrach sie und versicherte, er sei selbst in
Verlegenheit.
»Ach! Du tust mir sehr leid….«, sagte Emma. »Ja, ungemein!«
Ihre Augen blieben an einer damaszierten Büchse hängen, die im
Gewehrschrank blinkte.
»Aber wenn man arm ist, dann kauft man sich
keine Flinten mit Silberbeschlag, kauft man sich keine Stutzuhr mit
Schildpatteinlagen, keine Reitstöcke mit goldnen Griffen!« Sie
berührte einen, der auf dem Tische lag. »Und trägt keine solche
Berlocken an der Uhrkette!« Ach, er ließ sich sichtlich nichts
abgehen. Das bewies allein das Likörschränkchen im Zimmer. »Ja,
dich selber, dich liebst du! Dich und ein gutes Leben! Du hast ein
Schloß, Pachthöfe, Wälder! Du reitest die Jagden mit, machst Reisen
nach Paris! Und wenn du mir nur das gegeben hättest!« Sie sprach
immer lauter und nahm seine mit Brillanten geschmückten
Manschettenknöpfe vom Kamin. »Diesen und andern entbehrlichen Tand!
Geld läßt sich schnell schaffen! Aber nun nicht mehr! Ich will
nichts davon haben! Behalt alles!« Sie schleuderte die beiden
Knöpfe weit von sich. Sie schlugen gegen die Wand. Ein Goldkettchen
zerbrach.
»Ich, ach, ich hätte dir alles gegeben, hätte alles verkauft.
Mit meinen Händen hätte ich für dich gearbeitet, auf der Straße
hätte ich gebettelt, nur um von dir ein Lächeln, einen Blick, ein
einziges Dankwort zu erhaschen. Aber du! Du bleibst gemütlich in
deinem Lehnstuhl sitzen, als ob du mir nicht schon genug Leid
zugefügt hättest! Ohne dich – das weißt du sehr wohl! – hätte ich
glücklich sein können! Wer zwang dich dazu? Wolltest du eine Wette
gewinnen? Und dabei hast du mir eben noch gesagt, daß du mich
liebtest! Ach, hättest du mich doch lieber davongejagt! Meine Hände
sind noch warm von deinen Küssen, und hier auf dem Teppich, hier
auf dieser Stelle hast du gekniet und mir ewige Liebe geschworen!
Du hast mich immer belogen und betrogen! Mich zwei Jahre lang in
dem süßen Wahn des herrlichsten Gefühls gelassen! Und dann der Plan
unsrer Flucht! Erinnerst du dich daran? An deinen Brief, deinen
Brief! Er hat mir das Herz zerrissen! Und heute, wo ich zu diesem
Manne zurückkehre, zu ihm, der reich,
glücklich und frei ist, und ihn um eine Hilfe bitte, die der erste
beste gewähren würde, wo ich ihn unter Tränen bitte und ihm meine
ganze Liebe wiederbringe, da stößt er mich zurück, – weils ihn
dreitausend Franken kosten könnte!«
»Ich habe sie nicht«, wiederholte Rudolf mit der Gelassenheit,
hinter die sich zornige Naturen wie hinter einen Schild zu bergen
pflegen.
Sie ging.
Die Wände schwankten, die Decke drohte sie zu erdrücken. Wieder
nahm sie ihren Weg durch den langen Lindengang, über Haufen welken
Laubs, das der Wind aufwühlte. Endlich stand sie vor dem Gittertor.
Sie zerbrach sich die Nägel an seinem Schloß, so hastig wollte sie
es öffnen. Hundert Schritte weiter blieb sie völlig außer Atem
stehn und konnte sich kaum noch aufrecht halten. Wie sie sich
umwandte, sah sie noch einmal auf das still daliegende Herrenhaus
mit seinen langen Fensterreihen, auf den Park, die Höfe und die
Gärten.
Wie in einer Betäubung stand sie da. Sie empfand kaum noch etwas
andres als das Pochen und Pulsen des Blutes in ihren Adern, das ihr
aus dem Körper zu springen und wie laute Musik das ganze Land rings
um sie zu durchrauschen schien. Der Boden unter ihren Füßen kam ihr
weicher vor als Wasser, und die Furchen der Felder am Wege
erschienen ihr wie lange braune Wellen, die auf und nieder wogten.
Alles, was ihr im Kopfe lebte, alle Erinnerungen und Gedanken
sprangen auf einmal heraus, mit tausend Funken wie ein Feuerwerk.
Sie sah ihren Vater vor sich, dann das Kontor des Wucherers, ihr
Zimmer zu Haus, dann irgendeine Landschaft, immer wieder etwas
andres. Das war heller Wahnsinn! Ihr ward bange. Da raffte sie ihre
letzten Kräfte zusammen. Es war nur noch wenig Verstand in ihr,
denn sie erinnerte sich nicht mehr an die Ursache ihres
schrecklichen Zustandes, das heißt an die
Geldfrage. Sie litt einzig an ihrer Liebe, und sie
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