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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Gottes hätte keine größere Erregung
hervorrufen können. Bovary streckte ihm die Hände entgegen, Canivet
stand bewegungslos da, und Homais nahm sein Käppchen ab, noch ehe
der Arzt eingetreten war.
    Larivière gehörte der berühmten Chirurgenschule Bichats an, das
heißt, einer Generation philosophischer Praktiker, die heute
ausgestorben ist, begeisterter, gewissenhafter und scharfsichtiger
Jünger ihrer Kunst. Wenn er in Zorn geriet, wagte in der ganzen
Klinik niemand zu atmen. Seine Schüler verehrten ihn so, daß sie
ihn, später in ihrer eigenen Praxis, mit möglichster Genauigkeit
kopierten. So kam es, daß man bei den Ärzten in der Umgegend von
Rouen allerorts seinen langen Schafspelz und seinen weiten
schwarzen Gehrock wiederfand. Die offenen Ärmelaufschläge daran
reichten ein Stück über seine fleischigen Hände, sehr schöne Hände,
die niemals in Handschuhen steckten, als
wollten sie immer schnell bereit sein, wo es Krankheit und Elend
anzufassen galt. Er war ein Verächter von Orden, Titeln und
Akademien, gastfreundlich, freidenkend, den Armen ein väterlicher
Freund, Pessimist, selbst aber edel in Wort und Tat. Man hätte ihn
als einen Heiligen gepriesen, wenn man ihn nicht wegen seines
Witzes und Verstandes gefürchtet hätte wie den Teufel. Sein Blick
war schärfer als sein Messer; er drang einem bis tief in die Seele,
durch alle Heucheleien, Lügen und Ausflüchte hindurch. So ging er
seines Weges in der schlichten Würde, die ihm das Bewußtsein seiner
großen Tüchtigkeit, seines materiellen Vermögens und seiner
vierzigjährigen arbeitsreichen und unanfechtbaren Wirksamkeit
verlieh.
    Als er das leichenhafte Antlitz Emmas sah, zog er schon von
weitem die Brauen hoch. Sie lag mit offnem Munde auf dem Rücken
ausgestreckt da. Während er Canivets Bericht scheinbar aufmerksam
anhörte, strich er sich mit dem Zeigefinger um die Nasenflügel und
sagte ein paarmal:
    »Gut!… Gut!«
    Dann aber zuckte er bedenklich mit den Achseln. Bovary
beobachtete ihn ängstlich. Sie sahen einander in die Augen, und der
Gelehrte, der an den Anblick menschlichen Elends so gewöhnt war,
konnte eine Träne nicht zurückhalten, die ihm auf die Krawatte
herablief.
    Er wollte Canivet in das Nebenzimmer ziehen. Karl folgte
ihnen.
    »Es steht wohl nicht gut mit meiner Frau? Wie wär es, wenn man
ihr ein Senfpflaster auflegte? Ich weiß nichts. Finden Sie doch
etwas! Sie haben ja schon so viele gerettet!«
    Karl legte beide Arme auf Larivières Schultern und starrte ihn
verstört und flehend an. Beinahe wäre er ihm ohnmächtig an die
Brust gesunken.
    »Mut! Mein armer Junge! Es ist nichts mehr
zu machen!« Larivière wandte sich ab.
    »Sie gehn?«
    »Ich komme wieder.«
    Larivière ging hinaus, angeblich um dem Postillion eine
Anweisung zu geben. Canivet folgte ihm. Auch er wollte nicht Zeuge
des Todeskampfes sein.
    Der Apotheker holte die beiden auf dem Marktplatz ein. Nichts
fiel ihm von jeher schwerer, als sich von berühmten Menschen zu
trennen. So beschwor er denn Larivière, er möge ihm die hohe Ehre
erweisen, zum Frühstück sein Gast zu sein.
    Man schickte ganz rasch nach dem Goldnen Löwen nach Tauben, zu
Tüvache nach Sahne, zu Lestiboudois nach Eiern und zum Fleischer
nach Koteletts. Der Apotheker war selbst bei den Vorbereitungen zum
Mahle behilflich, und Frau Homais, sich ihre Jacke zurechtzupfend,
sagte:
    »Sie müssen schon entschuldigen, Herr Professor, man ist in so
einer weggesetzten Gegend nicht immer gleich vorbereitet….«
    »Die Weingläser!« flüsterte Homais.
    »Wer in der Stadt wohnt, der kann sich schnell helfen … mit
Wurst und….«
    »Sei doch still! – Zu Tisch, bitte, Herr Professor!«
    Er hielt es für angebracht, nach den ersten Bissen ein paar
Einzelheiten über die Katastrophe zum besten zu geben:
    »Zuerst äußerte sich Trockenheit im Pharynx, darauf
unerträgliche gastrische Schmerzen, Neigung zum Vomieren,
Schlafsucht….«
    »Wie hat sich denn die Vergiftung eigentlich ereignet?«
    »Habe keine Ahnung, Herr Professor! Ich weiß nicht einmal recht,
wo sie das 
acidum arsenicum
 herbekommen
hat.«
    Justin, der einen Stoß Teller hereinbrachte, begann am ganzen
Körper zu zittern.
    »Was hast du?« fuhr ihn der Apotheker
an.
    Bei dieser Frage ließ der Bursche alles, was er trug, fallen. Es
gab ein großes Gekrache.
    »Tolpatsch!« schrie Homais. »Ungeschickter Kerl! Tranlampe!
Alberner Esel!«
    Dann aber beherrschte er sich plötzlich:
    »Ich habe gleich daran gedacht, eine

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