Madame Bovary
vollkommen. Hippolyt wagte es indessen nicht in den
Alltagsgebrauch zu nehmen und bat Frau Bovary, ihm noch ein
anderes, einfacheres zu besorgen. Wohl oder übel mußte der Arzt
auch diese Ausgabe tragen. Nun konnte der Hausknecht von neuem
seinem Berufe nachgehen. Wie ehedem sah man ihn wieder durch den
Ort humpeln. Wenn Karl von weitem den harten Anschlag des
Stelzfußes auf dem Pflaster vernahm, schlug er schnell einen
anderen Weg ein.
Lheureux, der Modewarenhändler, hatte das Holzbein besorgt. Das
gab ihm Gelegenheit, Emma häufig aufzusuchen. Er plauderte mit ihr
über die neuesten Pariser Moden und über tausend Dinge, die Frauen
interessieren. Dabei war er immer äußerst gefällig und forderte
niemals bare Bezahlung. Alle Launen und Einfälle Emmas wurden im
Handumdrehen befriedigt. Einmal wollte sie Rudolf einen sehr
schönen Reitstock schenken, den sie in Rouen in einem Schirmgeschäft gesehen hatte. Eine Woche
später legte Lheureux ihn ihr auf den Tisch. Am folgenden Tage aber
überreichte er ihr eine Rechnung im Gesamtbetrage von
zweihundertundsiebzig Franken und so und soviel Centimes. Emma war
in der gröbsten Verlegenheit. Die Kasse war leer. Lestiboudois
hatte noch Lohn für vierzehn Tage zu bekommen, Felicie für acht
Monate. Dazu kam noch eine Menge andrer Schulden. Bovary wartete
schon mit Schmerzen auf den Eingang des Honorars von Herrn
Derozerays, das alljährlich gegen Ende Oktober einzugehen
pflegte.
Ein paar Tage gelang es ihr, Lheureux zu vertrösten. Dann verlor
er aber die Geduld. Man dränge auch ihn, er brauche Geld, und wenn
er nicht alsbald welches von ihr bekäme, müsse er ihr alles wieder
abnehmen, was er ihr geliefert habe.
»Gut!« meinte Emma. »Holen Sie sichs!«
»Ach was! Das hab ich nur so gesagt!« entgegnete er. »Indessen
um den Reitstock tuts mir wirklich leid! Bei Gott, den werd ich mir
vom Herrn Doktor zurückgeben lassen!«
»Um Gottes willen!« rief sie aus.
»Warte nur! Dich hab ich!« dachte Lheureux bei sich.
Jetzt war er seiner Vermutung sicher. Indem er sich entfernte,
lispelte er in seinem gewohnten Flüstertone vor sich hin:
»Na, wir werden ja sehen! Wir werden ja sehen!«
Frau Bovary grübelte gerade darüber nach, wie sie diese
Geschichte in Ordnung bringen könne, da kam das Mädchen und legte
eine kleine in blaues Papier verpackte Geldrolle auf den Kamin.
Eine Empfehlung von Herrn Derozerays. Emma sprang auf und brach die
Rolle auf. Es waren dreihundert Franken in Napoleons, das schuldige
Honorar. Karls Tritte wurden draußen auf der Treppe hörbar. Sie
legte das Gold rasch in die Schublade und steckte den Schlüssel
ein.
Drei Tage darauf erschien Lheureux
abermals.
»Ich möchte Ihnen einen Vergleich vorschlagen«, sagte er.
»Wollen Sie mir nicht statt des baren Geldes lieber …«
»Hier haben Sie Ihr Geld!« unterbrach sie ihn und zählte ihm
vierzehn Goldstücke in die Hand.
Der Kaufmann war verblüfft. Um seine Enttäuschung zu verbergen,
brachte er endlose Entschuldigungen vor und bot Emma alle möglichen
Dienste an, die sie allesamt ablehnte.
Eine Weile stand sie dann noch nachdenklich da und klimperte mit
dem Kleingeld, das sie wieder herausbekommen und in die Tasche
ihrer Schürze gesteckt hatte. Sie nahm sich vor, tüchtig zu sparen,
damit sie recht bald …
»Was ist da weiter dabei?« beruhigte sie sich. »Er wird nicht
gleich dran denken!«
Außer dem Reitstocke mit dem vergoldeten Silbergriffe hatte
Rudolf auch noch ein Petschaft von ihr geschenkt bekommen, mit dem
Wahlspruch: Amor nel Cor! (Liebe im Herzen!), fernerhin ein
seidenes Halstuch und eine Zigarrentasche, zu der sie als Muster
die Tasche genommen hatte, die Karl damals auf der Landstraße
gefunden hatte, als sie vom Schlosse Vaubyessard heimfuhren. Emma
hatte sie sorglich aufbewahrt. Rudolf nahm diese Geschenke erst
nach langem Sträuben. Sie waren ihm peinlich. Aber Emma drang in
ihn, und so mußte er sich schließlich fügen. Er fand das
aufdringlich und höchst rücksichtslos.
Sie hatte wunderliche Einfälle.
»Wenn es Mitternacht schlägt,« bat sie ihn einmal, »mußt du an
mich denken!«
Als er hinterher gestand, er habe es vergessen, bekam er endlose
Vorwürfe zu hören, die alle in die Worte ausklangen:
»Du liebst mich nicht mehr!«
»Ich dich nicht mehr lieben?«
»Über alles?«
»Natürlich!«
»Hast du auch vor mir nie eine andre geliebt, sag?«
»Glaubst du, ich hätte meine Unschuld bei dir verloren?« brach
er lachend aus.
Sie fing an zu
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