Madame Butterflys Schatten
Zukunft.«
»Ben, hätte ich jedes Mal, wenn mir einer das gesagt hat, einen Dollar bekommen, dann wäre ich jetzt ein gemachter Mann.«
»Das glaube ich nicht, Gerry. Wie viele Leute in dieser Stadt können das gewesen sein? Zehn? Zwanzig? Hundert? Außerdem stimmt es, was ich sage. Die Werkstatt ist prima gelaufen, und das wird sie auch bald wieder. Ich brauche nur ein bisschen Zeit.«
Daniels zuckte hilflos mit den Schultern. »Tja, genau das ist das Problem. Zeit. Tut mir leid, Ben. Wenn ich persönlich darüber zu entscheiden hätte …«
Er persönlich würde nur zu gern und so weiter und so fort … aber die Bank verlangte eine Rückzahlung des Kredits. Sofort. Ben sagte, er verstehe, sie schüttelten sich die Hände, und Daniels brachte ihn zur Tür, eine Hand auf seiner Schulter, die er beruhigend drückte, meine Empfehlung an die verehrte Gattin.
Als Ben zu seinem Entsetzen feststellte, dass er der Bank das Geld nicht zurückzahlen konnte, weil seine Kunden nicht in der Lage waren, ihre Schulden bei ihm zu begleichen, und als die Raten für das Haus überfällig waren und die Zwangsversteigerung drohte, ging ihm auf, dass der Dow Jones und Aktien und Wertpapiere durchaus etwas mit ihm zu tun hatten.
»Ich suche mir eine Stelle«, sagte Nancy. »Jetzt, wo Joey in der Schule ist, kann ich doch wieder arbeiten gehen.«
»Das wird nicht nötig sein.«
Aber es wurde schon bald nötig, und Nancy suchte sich eine Stelle. Es war keine, die sie von sich aus gewählt hätte, aber das zählte nicht mehr. Die Werkstatt war bereits weg, und jetzt waren das Haus und die elektrische Küche an der Reihe.
Nancy konzentrierte sich auf das Wesentliche, auf das, was es mitzunehmen, nicht das, was es wegzugeben galt, die kleinen Dinge also – Gegenstände von sentimentalem Wert, wie sie auf Auktionen genannt wurden. Sie behielt einen mexikanischen Teller, den sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten, und zwei versilberte Traubenscheren zur Erinnerung an ein Leben, das gerade vor ihren Augen zu Ende ging. Ben steckte Charlies Orden ein.
Sie suchte die Kleider heraus, die sie für gewöhnlich trug, und legte sie zusammen; wenn sie ehrlich war, hing der Rest ohnehin die meiste Zeit nur im Schrank. Joey folgte ihr auf Schritt und Tritt, ließ sie nicht eine Sekunde aus den Augen. Er hatte noch nie besonders viel Spielzeug besessen, und sie sagte ihm, er könne seine Lieblingsbücher behalten.
Sie packten Kartons und trugen sie auf die Veranda. Als Nancy vor die Haustür trat, fuhren gerade langsam zwei Ford Modell T vorbei. Die Autos sahen neu aus, aber sie waren schwer mit Hausrat beladen. Die Reste ihres eigenen Hausrats standen fein säuberlich aufgereiht vor dem Haus, dazu ein Schild: »Zu verkaufen. Jedes anständige Angebot wird angenommen.«
Was war ein anständiges Angebot? Wie viele Dollar konnten sie über den Verlust hinwegtrösten?, fragte sie sich, als sie zusah, wie die Stücke, die sie mit so viel Liebe ausgesucht hatte, wie der Beistelltisch aus Ahorn, die Stehlampe und der Schreibtisch mit dem Geheimfach auf den Laster eines Fremden geladen wurden.
»Wo ist Joey?«, fragte Nancy, aber Ben war gerade damit beschäftigt, Kartons zu packen, deshalb ging sie zurück ins Haus und rief nach ihm. Sie klang wütend, als sie den obersten Treppenabsatz erreichte: Die Beine taten ihr weh, und ihre Kehle war ganz trocken von dem vielen Staub.
»Joey?«, rief sie noch einmal.
Ben hörte sie rufen, von Mal zu Mal aufgeregter, während sie ein leeres Zimmer nach dem anderen absuchte. Dann rannte sie die Treppe herunter auf die Veranda, fuhr sich mit den Händen durch die Haare und sah an ihm vorbei die Straße hinunter.
»Er ist weg«, sagte sie.
Kapitel 15
SIE STAND AUF dem Bürgersteig, sah nach links und nach rechts, rief seinen Namen, obwohl sie wusste, dass sie keine Antwort erhalten würde, dennoch rief sie.
»Joey? Joey ?«
»Ich war die ganze Zeit hier«, sagte Ben. »Er kann nicht weg sein.«
Er stand da und versuchte, sich in den Kopf eines Kindes hineinzudenken.
»Hast du auf dem Dachboden nachgesehen?«
Sie rannte an ihm vorbei ins Haus und die Treppe hinauf. Oben angekommen, blieb sie stehen: Erst jetzt fiel ihr Blick auf die Leiter zum Dachboden, die offene Klappe.
Joey kauerte in der Ecke unter dem kleinen Dachfenster auf dem Boden, die braune Papiertüte mit seinen Büchern an die Brust gedrückt.
Mit ruhiger Stimme sagte Nancy: »Joey, wir müssen jetzt anfangen, das Auto zu
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