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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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kurz war, es war ganz und gar nicht zu kurz, es ging unablässig weiter und führte von einer Enttäuschung zur nächsten.
    Weissmüller hatte sich also olympisches Gold erschwommen und Weltrekorde. Er hatte es anders gemacht. Doch jetzt dachte er zurück, durchlebte die glänzenden Momente noch einmal, wie er seinen Körper in der Luft bog, das Wasser wie eine Klinge durchschnitt, im Glanz des Ruhms wiederauftauchte. Bis er eines Tages aus dem Wasser gestiegen war und sich gefühlt hatte, als sei er gestrandet, völlig trocken.
    Er musterte seinen Teller, auf dem sich in einer Soßenlache Fleisch und Kartoffeln türmten.
    Delikater Fisch und Gemüse auf einem niedrigen Lacktischchen, in hauchdünne Formen geschnitten und geschichtet, die Farben gegeneinander gesetzt, Grün und Dunkelrot, Gelb, Rosa und Weiß, in Porzellanschüsselchen, die wie Edelsteine schimmerten …
    Er nahm seine Gabel in die Hand und stach sie in eine Kartoffel.
    »Warum muss eigentlich alles immer braun sein?«
    Nancy sah erschreckt auf. »Wie?«
    »Nicht so wichtig. Nur – es ist nicht wichtig.«
    Er sah noch einmal auf seinen Teller: »Lecker.«
    Wie üblich gingen sie an Thanksgiving zu Louis und Mary, und Ben sah zu, wie seine Schwiegermutter den glänzenden goldbraunen Truthahn hereintrug. Sie war eine gute Köchin, und er ließ sich das zarte Fleisch schmecken.
    Danach gab es Schokoladenbaiser, Pecannuss- und Apfelkuchen. »Schmeckt wie bei Muttern«, sagte Joey und wiederholte die Worte, die er von anderen Kindern aufgeschnappt hatte.
    »Das ist viel zu viel für uns fünf«, sagte Louis zufrieden. »Aber ich schätze mal, dass wir bald zu sechst an Thanksgiving sein werden, wenn Joey ein Brüderchen bekommt.«
    »Oder ein Schwesterchen«, wandte Mary milde ein.
    Ben spürte, wie es ihm eng um die Brust wurde, dieses Gefühl, auf irgendetwas einschlagen zu wollen.
    »Freut euch nicht zu früh.« Er hatte nicht vorgehabt, das so laut zu sagen.
    Louis und Mary tauschten einen kurzen Blick, Nancy sah starr auf ihren Teller, ihr Löffel jagte einem Stückchen Schokoladenbaiser hinterher.
    »Nun, diese Dinge liegen in Gottes Hand«, sagte Mary. »Also, wer möchte noch ein Stück Apfelkuchen?«

Kapitel 14
    DIE GANZE KÜCHE stand gewissermaßen unter Strom: Die neue Kaffeemaschine blubberte, das Brot bräunte in dem neuen Toaster, der beide Seiten auf einmal röstete, auf dem Herd brieten Eier, in der Ecke summte der neue Kühlschrank vor sich hin.
    Nancy rief zu Joey hinauf, das Frühstück sei fertig, und wartete auf das vertraute Poltern, wenn er die Treppe heruntersprang, seinen Schulranzen hinter sich herziehend.
    Er sah sich in der vor Gerätschaften strotzenden Küche um.
    »Ich kriege heute also ein elektrisches Frühstück.«
    »Du solltest dankbar sein«, sagte Ben, »nicht jeder kann sich die neuesten Geräte leisten.«
    »Schmeckt das Essen damit besser?«
    Nancy ließ eine Scheibe goldbraunen Toast auf seinen Teller fallen.
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Warum haben wir sie dann?«
    »Weil sie uns das Leben erleichtern.«
    »Und weil«, ergänzte Ben, ohne von seiner Zeitung aufzusehen, »ihnen die Zukunft gehört. Der Elektrizität gehört die Zukunft.«
    »Aber Dad, du hast doch gesagt, dem Auto gehört die Zukunft.«
    »Na ja, vielleicht beiden.«
    »Du solltest ein elektrisches Auto erfinden.«
    »Ich behalt’s im Kopf.«
    Sie sagte sich, dass sie froh sein sollten, ein so kluges, neugieriges Kind zu haben. Wenn sie noch Lehrerin gewesen wäre, hätte sie sich angesichts eines solchen Schülers glücklich geschätzt. Sie strich ihm sanft übers Haar, als sie an seinem Stuhl vorbeiging. Ihr Blick blieb an dem ihres Mannes hängen, und sie belohnte ihn mit einem Lächeln, bei dem sich ihre Nase kurz kräuselte.
    Joey war aus dem Haus gefegt, um den Nachbarsjungen abzuholen, und jetzt machten sich die beiden hüpfend und springend auf den Weg zur Schule. Ben blieb noch auf eine zweite Tasse Kaffee am Tisch sitzen. Nancy griff nach der Zeitung.
    »Ich werde heute Nachmittag mit Daniels von der Bank sprechen. Wegen eines Kredits.«
    »Du hast dich also entschieden? Davon hast du gar nichts gesagt.«
    »Ich habe nachgedacht. Ich bin jetzt sicher. Ich brauche mehr Platz, eine richtige Werkstatt.«
    Nancy fragte: »Sag mal, Ben: Ist das, was wir machen, Spekulation?«
    »Nein, Investition. Warum?«
    Sie tippte auf die Zeitung und las laut vor: »›Hoover warnt vor den Folgen zügelloser Spekulationen.‹ Ich habe mich nur

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