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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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den Eigenheiten der französischen Sprache; sie war so naiv gewesen, auf Liebe zu hoffen, und in ihrem unvernünftigen Herzen hoffte sie noch immer darauf.
    * *
    Es fügte sich, daß dieselbe Hoffnung auf denselben Mann im Herzen einer anderen ausländischen Prinzessin gehegt wurde, die in jüngerer Zeit an den Hof gekommen war. Gegen Ende 1671 hatte der verwitwete Bruder des Königs, Philippe Herzog von Orléans, »Monsieur« genannt, sich wieder verheiratet, und seine Braut war die neunzehnjährige Elisabeth
Charlotte von der Pfalz, von der eigenen Familie, die sie sehr vermißte, »Liselotte« gerufen. Für die aufgeblasenen französischen Höflinge entsprach Liselotte genau diesem Klischee von einer deutschen Prinzessin: eine klobige, schlechtgekleidete Liebhaberin von Schokolade und Würsten. »Eine Schönheit ist sie nicht
362 «, schrieb Primi Visconti, »und tatsächlich drehte sich Monsieur, als er sie zum ersten Mal sah, zu seinen Höflingen um und murmelte: O je! Wie kann ich mit ihr ins Bett gehen? Während der ersten drei Tage aß sie nichts außer einer Olive, und sie sagte kein Wort … Bald redete sie aber … und sogar mehr als nötig.«
    Tatsächlich konnte keine Frau den promiskuitiv homosexuellen Monsieur befriedigen, doch Monsieur selbst hatte seine eheliche Pflicht mannhaft erfüllt. Aus seiner ersten Ehe lebten noch zwei Töchter, und zu dem Zeitpunkt, als Françoise an den Hof kam, hatte Liselotte selbst einen Sohn, Alexander – »so schrecklich groß
363 und stark, daß er … eher einem Teutschen … gleich sieht als einem Franzosen … Alle leute hier sagen, daß mein kleiner bub mir gleicht, also können Euer Liebden wohl denken, daß es eben nicht so ein gar schön bürschchen ist« –, und sie war vor kurzem mit einem zweiten schwanger geworden. Liselotte war zwar nicht schön, aber keinesfalls dumm; ganz und gar ungekünstelt, scharfsinnig und geistreich, mit einem derben, selbstironischen Humor begabt, hatte sie sich sowohl bei ihrem Ehemann als auch bei ihrem Schwager sehr beliebt gemacht.
    Was Monsieur betraf, hatte sie auf Anhieb erkannt, wie die Dinge lagen. Die beiden akzeptierten ihre gemeinsame Pflicht, ein paar dynastische Sprößlinge zu zeugen, und da sie sich darauf geeinigt hatten, nicht mehr voneinander zu verlangen, entwickelte sich zwischen ihnen eine doch überwiegend entspannte und liebevolle Freundschaft. Was den König betraf, so fand er durchaus Gefallen an ihrer Gesellschaft, wenngleich er sie nicht wegen irgendwelcher weiblichen Reize bewundern konnte. Ihre gemeinsame Leiden
schaft für die Hirschjagd, die weder von der Königin noch von einer der Mätressen Ludwigs geteilt wurde, brachte sie regelmäßig zusammen, und er war immer wieder amüsiert von ihren treffenden Bemerkungen über die Eitelkeit und Heuchelei des Hofes. Liselotte erträumte sich jedoch wie die Königin mehr von dem König, und gerade die Unmöglichkeit ihres Traums verbitterte sie gegen die Frauen, die er bewunderte, und mehr als gegen alle anderen gegen Françoise. »Der König läßt mich
364 jetzt alle samstag holen, um medianoche mit ihm bei Madame den Montespan zu halten«, teilte Liselotte ihrer Tante Sophie in Hannover mit, und jeden Samstag begegnete sie bei diesem mitternächtlichen Souper der Gouvernante, schön, amüsant und, was sie am meisten verdroß, weder eitel noch scheinheilig, weder kokett noch frivol, so daß sie keine der üblichen leichten Zielscheiben für Liselottes beißenden Spott abgab. So blieb der derben Prinzessin nichts anderes übrig, als die Witwe Scarron wegen ihrer niedrigen Herkunft und bescheidenen Stellung am Hof herabzusetzen, die beiden einzigen Aspekte, unter denen Liselotte selbst unbestreitbar im Vorteil war.
    Das war bedauerlich, denn im Grunde hatten die beiden vieles miteinander gemein, und sie hätten ein Bündnis der Vernunft gegen kostümierte Ferkel und andere Torheiten bilden können, von denen das höfische Leben so stark infiziert war. Beide waren von ihrem Wesen her nicht für das Hofleben geeignet, denn es fehlte ihnen der Hang zu Manipulation und Verstellung, den man brauchte, um sich in »jenem Land« zu behaupten. Françoise sagte entweder, was sie dachte, oder sie schwieg; Liselotte sagte einfach, was sie dachte, und schickte einen derben Witz hinterher. Beide Frauen waren klug, ohne intellektuell zu sein, beide waren geistreich, beide kinderlieb; beide vermißten die stillen Freuden des Familienlebens auf dem Lande – die

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