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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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stämmige Liselotte schmerzte es sogar, »daß man nicht mehr laufen und springen darf
365 « – möglicherweise im übertragenen Sinne.
Nicht zuletzt vertraten beide ein schlichtes, praktisches Christentum, das von Rosenkränzen und Statuen nicht viel hielt und von den melodramatischen Lebensgeschichten katholischer Heiliger und Märtyrer unbeeindruckt war. Wohl waren beide jetzt von Amts wegen Kinder Roms, aber Liselotte war als Lutheranerin geboren und von grober Wesensart, und Françoise war mindestens zur Hälfte Hugenottin, sowohl nach ihrer Erziehung als auch nach ihrem Wesen. »Wenn man nicht damit rechnen müßte, daß die Leute sich das Maul darüber zerreißen, wäre ich wohl nicht einmal mehr am Sonntag zur Messe gegangen«, hatte sie gesagt, und Liselotte hätte ihr zweifellos zugestimmt. »Katholische Predigten sind zu lang
366 «, seufzte sie, denn sie wurde regelmäßig erst dann wach, wenn diese endeten. »Eine predigt ist ein recht opium vor mich. Sobald ich predigen oder nonnen singen höre, schlafe ich ein.«
    Vor allem waren beide, Françoise ebenso wie Liselotte, Außenseiterinnen, die man in Zeiten des Konflikts ihrer protestantischen Vergangenheit wegen verdächtigte, die mit den aalglatten Höflingen nie recht zusammenpaßten und ihrer Stellung innerhalb der Hackordnung nie ganz sicher waren. Als Frau von Monsieur kam Liselotte (»Madame«) angeblich unmittelbar nach den Frauen aus der engeren Familie des Königs, aber wenn man nach den Einstellungen des Hofes ging, war es so einfach nicht: Inoffiziell mußte Liselotte Platz machen für Louise de la Vallière, noch immer maîtresse déclarée, und für Athénaïs, die sich stets in die erste Reihe drängte, und bisweilen sogar für Madame Scarron, der man mehr Ehrerbietung erwies, als sie strenggenommen beanspruchen konnte.
    Für Françoise war das, selbst wenn es zutraf, kein Anlaß, sich sicher zu fühlen. Ihr anmutiges und zurückhaltendes Auftreten war für die Höflinge gewiß ein Anstoß, sich ihr gegenüber respektvoll zu verhalten: Keiner würde sie von ihrem Stuhl stoßen oder versuchen, ihr in den Hintern zu kneifen,
sie beschimpfen oder sich in der Öffentlichkeit über sie lustig machen – aber gleichwohl erteilte Athénaïs ihr Anweisungen, als wäre sie eine Dienstmagd, und jede davon empfand sie als eine kleine Demütigung. Ihre Stellung am Hof war jedenfalls nicht gesichert; jederzeit konnte sie von Athénaïs oder gar vom König fortgeschickt werden. Aber es war schließlich nicht ihr Ehrgeiz, ihr Leben am Hof zu verbringen. Sie hatte ihre 6000 Livres im Jahr, und damit kam sie außerhalb des Hofes gut zurecht. Natürlich konnte die Pension widerrufen werden, aber ein derart nachtragender Schritt war kaum zu erwarten. Ihr kam es allein darauf an, daß sie, solange sie sich am Hof aufhielt, den Respekt erfuhr, den sie so sehr schätzte und ohne den sie sich nicht wohl fühlen konnte. Während Liselotte sie gern eine oder zwei Stufen tiefer gesehen hätte, kämpfte Françoise darum, eine feste Stellung zu behaupten. »Wenn es darum geht, was man dir schuldet
367 , bist du ja ganz genau«, sagte sie einmal zu ihrem Mignon, ihn gedankenlos tadelnd. »Nimm dir ein Beispiel am König: Er ist entspannt und höflich, und er macht nie ein Aufhebens davon, was man ihm schuldet.« »Aber Madame«, erwiderte der kluge Knirps, »der König ist sich seiner Position sicher, ich aber kann mir der meinen nicht sicher sein.«
    * *
    So in sich gefestigt wie seine Stellung am Hof war jetzt auch Ludwigs Stellung in seinem Reich. Von ehrgeizigen Fürsten, die in einem schwach regierten Land ihren eigenen Vorteil suchten, drohte ihm keine Gefahr mehr. Aus den Bürgerkriegen seiner frühen Jugend hatte der König eindeutige Lehren gezogen, die nicht wenig zu seiner Entschlossenheit beitrugen, eine absolute Monarchie aufrechtzuerhalten. Nach zehn Jahren persönlicher Herrschaft – die Fronde lag fast zwanzig Jahre zurück – war er von seiner Machtstellung und seiner Beliebtheit überzeugt. Im Jahr 1667 hatte er das Pariser Par
lament und die Provinzparlamente angewiesen, seine sämtlichen königlichen Erlasse als Gesetz des Landes zu bestätigen, und sie hatten die Weisung, ohne zu murren, akzeptiert.
    »Der alte Widerstand des Parlaments
368 war aus der Mode gekommen«, schrieb Colbert. »Das ist mittlerweile so lange her, daß die Leute sich kaum noch daran erinnern.« Was die Fürsten betraf, so waren sie offenbar hinreichend damit

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