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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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beschäftigt, Geld zu verdienen und ihre Beziehungen am Hof zu pflegen, an dem neuerdings eine Menge los war – das Gegengift gegen Komplotte und Fronden, das Ludwig sich erhofft hatte. Es ging also nicht darum, seine Adligen abzulenken und dadurch seine Stellung im Inneren zu festigen, wenn der König und sein Minister jetzt beschlossen, sich auf einen auswärtigen Krieg einzulassen. Nein, es war – zumindest für Colbert – eine Frage der nationalen Prosperität und für Ludwig eine Frage des Nationalstolzes.
    Colbert war ein überzeugter Anhänger des damals modischen »Merkantilismus«, und das hieß praktisch, den Außenhandel des eigenen Landes stark zu protegieren und den aller anderen Länder mit allen Mitteln zu bekämpfen. Als Finanzminister und Staatssekretär für die Marine hatte er die ideale Position, beiden Seiten der Gleichung Geltung zu verschaffen: Er hatte das letzte Wort, sowohl wenn es um Zölle und Steuern ging als auch in Fragen der Schiffahrt, und zwar nicht nur die Schiffe der Kriegsflotte, sondern auch die lukrative Handelsflotte betreffend. Noch waren beide Flotten klein im Vergleich mit denen anderer Länder, etwa der Schweden oder der Engländer und speziell der Niederländer, aber das sollte sich bald ändern, denn Colbert hatte bereits ein großangelegtes Schiffsbauprogramm in Gang gesetzt. Als es abgeschlossen war, glaubte er, Frankreich müsse aus den laufenden »Handelskriegen« siegreich hervorgehen, weil es von der Natur reicher gesegnet sei als jedes andere Land Europas. Nur Frankreich war groß genug und seine Bevölkerung zahlreich genug, seine Städte hinreichend er
finderisch, sein Klima und seine Böden vielfältig und fruchtbar genug, um alle Bedürfnisse selbst zu befriedigen und dazu noch einen Überschuß an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Gütern hervorzubringen, die es jenseits seiner Grenzen verkaufen konnte.
    Das alles waren indes nur Träume und leere Phrasen. Bei einem Mann, der weniger einflußreich war als Colbert, hätte man sogleich erkannt, daß es hier um Wunschdenken ging. Man rühmte sich seiner Bevölkerung von 22 Millionen als der größten Europas – »Monsieur Colbert soll gesagt haben
369 , daß viele Untertanen der Könige und Fürsten Reichtum sei, und wollte deswegen, daß alles sich heiraten sollte und Kinder kriegen« –, aber wenn es die größte war, dann war es zugleich auch eine der rückständigsten.
    Über ein Jahrhundert nachdem flämische und englische Bauern mit der ertragsteigernden Zusammenlegung ihrer Felder begonnen hatten, arbeiteten die Bauern Frankreichs, rund drei Viertel der Bevölkerung, noch immer mit dem verschwenderischen Brachfeldsystem aus dem Mittelalter, bei dem ein Drittel des bebaubaren Landes praktisch unbestellt blieb. Mittelalterlich waren auch ihre Gerätschaften, die gemeinhin aus Holz und Weidenrute gemacht waren; wenn ein Bauer Glück hatte, besaß er eine solide Weizensense, die aus den habsburgischen Landen importiert war. Frankreich war weit davon entfernt, Überschüsse für den Außenhandel zu erzeugen; vielmehr konnte es nicht einmal seinen eigenen Konsum befriedigen: Die ärmeren Franzosen kleideten sich in der Regel in spanische Wolle und aßen von englischem Zinngeschirr, während ihre reicheren Landsleute elegante Tuche aus Leiden trugen und von Tellern aus deutschem oder südamerikanischem Silber speisten, bevor sie zu Bett gingen und sich mit Laken aus englischem Leinen bedeckten. Die Soldaten Frankreichs zogen in die Schlacht, bewaffnet mit schwedischen Musketen, die geladen waren mit flämischem Schießpulver; unterstützt wurden sie von dä
nischen Kanonen, gezogen von Pferden, die mit guten flämischen Hufeisen beschlagen waren. Das Kupfer für die französischen Münzen kam aus Japan; Stahl wurde nur in einer winzigen Stadt im Süden produziert, und nach zwei Jahrhunderten des wertvollen Kohlebergbaus in England und den angrenzenden spanischen Niederlanden hatten die Franzosen noch nichts unternommen, um ihre eigenen Vorräte dieses vielversprechenden Bodenschatzes zu heben. Ein Großteil
370 des in Frankreich verzehrten Käses kam aus Holland. Und das alles – Käse, Schießpulver, Kupfer, Leinen, alles – ging durch die fleißigen Hände der Kaufleute von Amsterdam, die mit ihrem Unternehmungsgeist und ihrem Fleiß ein goldenes Zeitalter für ihre eigenen Vereinigten Provinzen der Niederlande
371 geschaffen hatten.
    Frankreich hatte keine Banken, keine Börse, noch nicht einmal

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