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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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eine ordentliche Staatskasse. Die Bedürfnisse des Staates wurden krampfhaft mit Krediten finanziert, die von banquiers (eigentlich Kaufleuten) dem König gewährt wurden, üblicherweise zu einem Zinssatz von 25 Prozent. Die sich so ergebenden gewaltigen Schulden wurden häufig durch eine Abwertung der Währung gemindert, ein Schritt, der taktisch vielleicht klug sein mag, strategisch aber naiv ist, weil er die Wohlhabenden bewog, ihren Reichtum in kunstvollen Silberwaren und sonstigem kostspieligem Hausrat zu »bunkern«, was die insgesamt umlaufende Geldmenge verringerte und den Handel im ganzen Land erschwerte. Frankreich war reich an Land und an Menschen, und es hätte eigentlich reich sein müssen, doch im Jahr 1672 war die winzige, von Windmühlen angetriebene und zur Hälfte unter dem Meeresspiegel liegende niederländische Republik mit ihren kläglichen anderthalb Millionen Seelen sehr viel reicher, ja das bei weitem reichste Land Europas.
    Das war mehr, als Ludwig ertragen konnte. Diese schlichten holländischen Boeren mit ihren schwarzweißen Kühen, die die beste Qualitätsmilch gaben, und ihren beunruhigend
produktiven Höfen und Gartenbaubetrieben, diese leicht angeschmutzten Städter, die mit den Münzen aus fünfzig verschiedenen Ländern in ihren Taschen klimperten und sich in ihren Stadträten fortwährend miteinander berieten, konnten noch nicht einmal einen König ihr eigen nennen. Daß sie es überhaupt wagten, sich als einen Staat zu bezeichnen, war ein Affront für alle Fürstenhäuser Europas. Angewidert von ihrem protestantischen Stolz und Ehrgeiz, obendrein »der [geschäftlichen] Unverschämtheiten
372 der Holländer überdrüssig, beschloß der König, sie zu bestrafen«, tönte Jean Racine, Ludwigs dienstbeflissenes, vom Poeten zum Geschichtsschreiber gewandeltes Sprachrohr.
    In Wirklichkeit waren Stolz und Ehrgeiz eher bei Ludwig zu suchen. Die Franzosen konnten nicht entfernt mit dem ausgedehnten internationalen Handelsnetz konkurrieren, das von Amsterdam aus gelenkt wurde. Sogar die Erzeugnisse der französischen Karibikinseln, Indigo und Tabak, in die Françoises unberechenbarer Vater seine Hoffnungen gesetzt hatte, und der mühsam angebaute Zucker, der auf ihren Kindheitsinseln Martinique und Guadeloupe endlich gedieh, wurden von den Holländern aufgekauft und verkauft.
    Als wäre dies noch nicht Schädigung genug, hatte die kleine Republik der grande nation zwei schwere Beleidigungen zugefügt. Zunächst hatten die Holländer ein Bündnis mit England und Schweden gestiftet, um französische Ambitionen in den spanischen Niederlanden zu dämpfen, die damals dem Zugriff des geschwächten Spanien entglitten; auf dem Aachener Friedensschluß von 1668 hatte diese »Tripelallianz
373 « Frankreich nötigen können, einen Großteil der gerade eroberten Gebiete an Spanien zurückzugeben. Und anschließend hatten sie es abgelehnt, auf eine französische Einladung zur Zweiteilung der spanischen Niederlande einzugehen. Ludwig hatte diese letztere Angelegenheit geradezu als eine Frage von Noblesse oblige betrachtet, und so war er schockiert, als er von diesem frischgebackenen Pseudostaat zurückge
wiesen wurde. Den Holländern war es aber lieber gewesen, ein eindeutig aggressives Frankreich nicht zum direkten Nachbarn zu haben. »Wird ein Fürst in seinem Ansehen verletzt
374 , … so ist dies Gegenstand eines gerechten Krieges«, schrieb der englische Polemiker Henry Stubbes, womit er den französischen Nagel genau auf den Kopf traf. Von Colberts Sorgen wegen Käse und Schießpulver ganz abgesehen, erwies sich Ludwigs gekränkter Stolz als ein mehr als hinreichender casus belli .
    * *
    Der Boden für den Krieg war durch geheime diplomatische Avancen gegenüber denjenigen bereitet worden, die durch die glänzenden Handelserfolge der Holländer nur verlieren konnten, insbesondere ihre beiden Partner in der Tripelallianz. Die schwedischen Heringshändler und die englischen Tuch- und Holzhändler waren mehr als erfreut über die Aussicht auf eine Umkehrung des allzu schönen Händlerglücks der Vereinigten Provinzen; die schwedische Regierung erklärte sich bereit, beiseite zu treten und Frankreich seinen Willen zu lassen, und die Engländer setzten die geballte Macht ihrer Marine ein, um der kleinen französischen Flotte beizustehen.
    Seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1648, der sehr zu ihrem Vorteil beendet wurde, hatten die Holländer ihre Landesverteidigung vernachlässigt, um

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