Madame de Maintenon
Dauphine ihr Verhalten gegenüber den Prinzessinnen und Herzoginnen, die zu ihrem Kreis gehörten. Sie begann, deren Kleider zu rühmen
und von nichts anderem als Stoffen zu sprechen. Man hatte ihr dringend davon abgeraten, über etwas anderes zu sprechen. Die Aufmerksamkeiten des Königs ihr gegenüber hatten nachgelassen, weil sie begonnen hatte, sich über höfische Angelegenheiten zu informieren.« Zu seinem Mißfallen hatte Ludwig festgestellt, daß er die Intelligenz der neuen Dauphine unterschätzt hatte, wenngleich seine geringe Meinung von ihren weiblichen Reizen wohl von einem größeren Kreis geteilt wurde. »Sie ist brünett, von mittlerer Größe und noblem Gebaren«, setzte Primi mit entschiedener Ritterlichkeit hinzu. »Sie hat eine schöne Haut, hübsche Hände und hübsche Augen, und das macht den Rest ihrer Züge erträglich.«
Anfangs hatte die junge Dauphine erfreut zur Kenntnis genommen, daß Françoise zu ihrem Haushalt gehörte, und ihr Freundlichkeit und Interesse bekundet. Aber durch die Andeutungen von Madame de Richelieu, ihrer Ehrendame, und die Bosheit von Liselotte und Monsieur, deren Gemahl, war sie nach und nach mißtrauisch gegen Françoise geworden, hatte sie vielleicht sogar ein wenig gefürchtet. Françoise schaffte es, daß ihr Günstling, der Arzt Fagon, in den Haushalt der Dauphine berufen wurde, doch die Dauphine selbst begann, sich immer mehr abzukapseln, und beschränkte sich auf die Gesellschaft ihrer bayerischen Zofe. Zahnschmerzen, dann Fieber, dann eine mögliche Schwangerschaft, die sich bald bestätigte, dann wieder Fieber – das alles waren hinreichende Entschuldigungen, um ihren Rückzug zu rechtfertigen, der so weit ging, daß sie fast gänzlich dem höfischen Geschehen fernblieb. Schließlich schritt der König ein und machte dieser kleinen Kabale ein Ende. »Madame la Dauphine kam
526 aus ihren Räumen und zeigte sich in der Öffentlichkeit … Der Hof ist sehr froh … der König ist sehr erfreut, und die königliche Familie ist sehr traulich«, schrieb Françoise an Charles, ließ aber unerwähnt, daß sie selbst sich hinreichend bestätigt fühlte und daß Madame de
Richelieu und ihre »kleine Kabale« ganz und gar nicht zufrieden waren.
* *
Françoise war jetzt eine Person von einiger Bedeutung am Hof, und ihre neue Stellung wurde allen durch die dunkle Kleidung verdeutlicht, die sie als zweite Kammerfrau der Dauphine zu tragen hatte. Mit Bedauern hatte sie die Grün- und Blautöne und andere hellere Farben aufgegeben, die sie lange bevorzugt hatte, aber sie war dennoch recht zufrieden mit ihrem neuen Bekleidungsstil, verlieh er ihr doch zusätzliche Würde am Hof und überall sonst. Ganz in Schwarz zu gehen war sicherlich ein Zeichen von Solidität und in diesem Fall auch einer gewissen amtlichen Autorität, aber zugleich deutete es auf Reichtum, denn schwarzes Tuch war kostspielig, weil es schwierig war, die erforderlichen Farbstoffe zu erzeugen und anzuwenden. In den prächtigen, raschelnden Kleidern, die Françoise jetzt trug, präsentierte sie sich der Welt als eine beeindruckende Gestalt, ergänzt durch die unaufdringliche Eleganz eines Diamantkreuzes, das sie am Hals trug; dies sollte bis auf weiteres ihr einziger Schmuck sein.
Von einer beeindruckenden Gestalt in schwarzen Kleidern und mit Diamantkreuz war nicht zu erwarten, daß sie sich am Hof ohne Begleitung bewegte. Françoise hatte ihr eigenes Gefolge von Bediensteten, dem auch zwei längerfristige Favoritinnen angehörten, ihre Zofe Nanon Balbien und eine afrikanische Pagin namens Angola, in deren Namen Françoise sich gegenwärtig in der Rohstoffspekulation betätigte, speziell in Hafer. »Ich bat Sie
527 , Hafer als Anlage von Angolas Geld zu kaufen«, schrieb sie ihrem Gutsverwalter auf Maintenon. »Man sagt mir, nichts sei sicherer, als jetzt Hafer zu kaufen und später zu verkaufen. Das ist ein großangelegter Plan. Helfen Sie mir dabei.«
Was Nanon betraf, so war sie jetzt schon fast zwanzig Jahre bei Françoise. »Und sie hatte
528 eine ebenso hohe Meinung von sich wie ihre Herrin«, blaffte der eingebildete Herzog
von Saint-Simon, aufgebracht darüber, daß sein blaueres Blut übergangen worden war. »Sie kleidete sich wie sie, trug die gleiche Frisur wie sie und imitierte ihre affektierte Sprechweise und ihre Manieren und ihre Frömmigkeit. Sie war so etwas wie eine kleine gute Fee, und all die Prinzessinnen waren entzückt, wenn sie die Gelegenheit hatten, mit ihr zu sprechen
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