Madame de Maintenon
zu sehen, durch die Bekehrung Ludwigs die Nation zu bekehren. Die Königin selbst, »eine Heilige, aber nicht sehr intelligent
510 «, war für seine Zwecke nicht zu gebrauchen. Im Gegensatz dazu versprach Françoise, obwohl nicht ganz so heilig, wie Bossuet vermutete, sich als sehr brauchbar zu erweisen.
Doch sein ganzer Scharfsinn half Bossuet nicht, Françoise wirklich zu verstehen; er hielt die Fassade, die sie aus gesellschaftlicher Notwendigkeit und persönlicher Vorliebe errichtet hatte, fälschlicherweise für das Erscheinungsbild eines profunden religiösen Glaubens. Und sie, weniger scharfsinnig, aber scharfsichtiger, erkannte seinen Irrtum und beschloß im stillen, sich ihn zunutze zu machen. Für sie sollten Bossuet und seine Frommen als Vorhut fungieren, um die schließliche Errettung des Königs zu sichern – als Vorhut und zugleich als Schutzwache, denn in der eifersüchtigen, intriganten Welt des Hofes brauchte Françoise Verbündete. »Glaubte sie
511 , der erste Band ihrer Lebensgeschichte werde
für immer ungelesen bleiben?« schrieb Madame de Sévigné. »Und erkannte sie nicht, wie sehr die so boshaft weitererzählten Geschichten ihr geschadet haben mußten?«
Françoise erkannte das sehr wohl, und sie warnte ihren geschwätzigen Bruder: »Gib acht
512 , was Du über mich sagst … Sprich nicht von meinem Glück; sag nichts darüber, weder Gutes noch Böses. Sie sind wütend auf mich, und wie Du sagst, werden sie alles tun, um mir zu schaden.« Ungeachtet ihres Ansehens, das sie gegenwärtig beim König genoß, blieb sie angreifbar für diejenigen, die an ihrem Podest sägten, jetzt mit den scharfen kleinen Messern ihrer niederen Geburt, ihrer Armut, ihrer Ehe mit dem Krüppel Scarron, ihrem Beginn am Hof als bezahlte Bedienstete. Athénaïs, die glücklos ihren eigenen Sturz befördert hatte, tat sich unter den Verleumdern von Françoise am grimmigsten hervor. »Es brachte sie fast um den Verstand
513 , daß der König Madame de Maintenon den Vorzug gab«, schrieb Abbé de Choisy. »In ihren Augen stand sie ganz tief unter ihr.«
Um das Ganze noch schlimmer zu machen, hatte Ludwig, feige, wie er war, Françoise selbst geschickt, um Athénaïs die Nachricht von ihrer Degradierung zu übermitteln: »Sie sagte ihr klipp und klar
514 «, schrieb Abbé de Choisy, »der König wünsche künftig keine besondere Beziehung zu ihr und er rate ihr, an ihr eigenes Seelenheil zu denken, so wie er beabsichtige, an sein eigenes zu denken. Dies zu übermitteln, empfand Madame de Maintenon als dermaßen hart, daß sie den König mehrmals bat, die Sache zu überdenken, und sogar andeutete, daß es ihm vielleicht schwerfallen könnte, an seiner Entscheidung festzuhalten, aber er drängte sie mit solcher Entschiedenheit, daß sie es schließlich tat.« Wie der Abbé beobachtet hatte, »konnte der König Madame de Montespan persönlich niemals widerstehen … Er hat sie sehr wahrscheinlich mehr gefürchtet als geliebt.«
Die verstoßene Athénaïs, die »an schwarzer Galle erstickte
515 «, hatte sowohl die Mittel als auch das Motiv, gegen Fran
çoise vorzugehen. Entschiedene Unterstützung fand sie bei der Herzogin von Richelieu, einer scheinbaren Freundin aus den Zeiten des Pariser Salons, die »Madame de Maintenon allerdings
516 nur so lange mochte, wie sie arm und unbekannt war. Sie mißgönnte ihr ihr gegenwärtiges Glück. Nach ihrer Meinung hatte Madame ihr den rechtmäßigen Platz als Vertraute des Königs gestohlen.« Doch mochte Françoise auch besorgt sein, eingeschüchtert war sie nicht. »Sollten meine Feinde scheitern
517 , werden wir über sie lachen, sollten sie aber Erfolg haben, werden wir es tapfer ertragen«, bekräftigte sie in einem Brief an Charles. »Wir sind schließlich in einer günstigen Lage«, fuhr sie, gesundes Urteilsvermögen beweisend, fort, »wenn Du bedenkst, wie wir einmal gelebt haben.«
Und inzwischen stand sie nicht schutzlos da. Sie selbst war verwundbar, aber Bossuet war, sofern der König ihn nicht ohne Umschweife hinauswarf, praktisch unangreifbar, und von nun an näherte sie sich dem Prediger und seinen Frommen. Die sollten sich schützend um ihr Podest scharen, und sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um sich darauf zu behaupten, und sogar noch nach Höherem streben.
* *
»Der König schämte sich nicht
518 , sie zur [zweiten] Kammerfrau ( dame d'atour ) der neuen Dauphine zu machen, aber weil er sich nicht traute, ganze Sache zu machen, … setzte
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