Madame Hemingway - Roman
ich fühlen, dass er da war, in mir, doch im nächsten war er schon wieder fort, verschwunden in die Welt, die er erschuf.
Seine Gewohnheiten würden sich nicht ändern, wenn ich mehr spielte – ich war nicht naiv genug, das zu glauben –, aber es könnte mir meinen eigenen Schwerpunkt und ein Ventil bieten, das nichts mit den Details von Bumbys Ernährungs- und Bewegungsplänen zu tun hatte. Ich liebte das Muttersein, aber das hieß doch nicht, dass ich keine anderen Interessen haben konnte. Stella bekam das schließlich auch wunderbar geregelt. Man konnte sagen, sie war das neue Modell einer Ehefrau, während ich die altmodische und provinzielle Version war.
Mir erschien der Gedanke ironisch, dass fast alle Frauen, die ich kannte, direkt von der Suffragettenarbeit profitierten, die meine Mutter vor Jahrzehnten in unserem Wohnzimmer geleistet hatte, während ich mich mit einem Buch zurückgezogen und versucht hatte, unsichtbar zu sein. Vielleicht würde ich nie eine wahrhaft moderne Frau werden, aber musste ich mich denn vorsätzlich versteckt halten? Wollte ich nicht wenigstens ein bisschen herumexperimentieren, um zu sehen, was sich richtig anfühlen könnte? Insbesondere, da ich gute Freunde hatte, die mich liebten und mir einen Erfolg gönnten, wie Pauline betont hatte. Mit der Zeit stellte Pauline uns vielen ihrer vornehmeren Freunde aus dem nördlichen Teil von Paris vor, darunter Gerald und Sara Murphy. Gerald war Malerund darüber hinaus eine Ikone des guten Geschmacks und des guten Lebens. Er und Sara waren 1921 nach Paris gekommen, und obwohl sie eine bezaubernde Wohnung am Quai des Grands-Augustins besaßen, zogen sie nach und nach ganz in den Süden Frankreichs, wo sie ein Haus in Antibes an der Riviera bauten. Gerald hatte Architektur studiert, und das Anwesen, die Villa America, sollte das gemeinsame Meisterwerk der Murphys werden: das schönste Haus, das sie sich vorstellen und leisten konnten – und sie konnten sich einiges leisten. Pauline stellte uns ebenfalls dem Dichter Archibald MacLeish und seiner reizenden Frau Ada vor, die wunderschön und sogar vor Publikum sang und die herrlichsten perlenbesetzten Kleider trug, die ich je gesehen hatte.
Ich war erstaunt, wie tolerant Ernest gegenüber diesen neuen Bekanntschaften war. Wenn wir unter uns waren, nannte er sie zwar abfällig »die Reichen«, aber dennoch genoss er die Aufmerksamkeit, die sie ihm schenkten.
In unserer Zeit
erschien Anfang Oktober in den Staaten, und nicht lange darauf konnte man den Roman in Buchhandlungen in der ganzen Stadt finden. Die Rezensionen fielen ungemein positiv aus und nannten Ernest
den
jungen Schriftsteller, den es im Auge zu behalten galt. Seine Zukunftsaussichten erschienen immer glänzender, doch unsere neuen Freunde waren nicht einfach nur Trittbrettfahrer. Sie gaben sich nicht damit zufrieden, ihre Hände am Rande von Ernests Erfolg zu wärmen, sie wollten das Feuer schüren.
Mittlerweile kam Pauline an mehreren Abenden in der Woche zum Essen in die Sägemühle, und manchmal traf Ernest sie auch in einem der Cafés. Ich war so erleichtert, dass sie einander mit so großer Natürlichkeit begegneten. Ich hatte mich nie gern mit Ernest über Kitty gestritten, doch er wollte einfach nicht von seiner Meinung über sie abrücken. Sie war und würde für ihn immer »dieses vergoldete Miststück« bleiben.Pauline dagegen brachte eine nettere, brüderliche Seite in ihm zum Vorschein. Er begann sie »Pfife« zu nennen, was ich übernahm. Für Bumby war sie »Tante Pfife«. Für uns hatte sie auch Spitznamen: Ernest war »Papa« oder »Drum«, ich war »Hash« oder »Dulla« und zusammen waren wir ihre »Bezaubernden«, ihre »Hochgeschätzten«.
Als der Herbst in den Winter überging und die Pariser Feuchtigkeit durch die Fenster- und Türrahmen kroch, entschied Ernest, den Pamplona-Roman beiseite zu legen.
»Ich kann das Ganze einfach nicht mehr sehen. Ich weiß nicht, was davon gut ist und wo ich versage. Es muss nun eine Weile allein vor sich hin köcheln.« Er seufzte und kratzte sich am Schnurrbart, der in letzter Zeit buschig und wild und auf hübsche Art ungepflegt geworden war. »Ich habe darüber nachgedacht, etwas völlig anderes zu beginnen. Etwas Lustiges.«
»Lustig passt zu Don und Harold, aber ich bin mir nicht sicher, ob es für dich das Richtige ist.«
»Der erste Text, den du überhaupt von mir gelesen hast, war lustig. Willst du etwa sagen, dass der schlecht war?«
»Ganz und gar
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