Madame Hemingway - Roman
nicht. Nur, dass deine Arbeit heller zu strahlen scheint, wenn sie eher dramatisch ist.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, entgegnete er und setzte sich sogleich ans Werk. Ich hatte keine Ahnung davon, was er tatsächlich im Sinn hatte oder wie schnell er es wieder verwerfen würde. Innerhalb von zwei Wochen stand jedoch der fertige Entwurf zu
Die Sturmfluten des Frühlings
, einer Parodie auf Sherwood Andersons letztes Werk
Dunkles Lachen
. Nachdem er es geschrieben hatte, stand der nächste schwierige Schritt an. Er war sich allerdings nicht ganz sicher, was er da eigentlich geschaffen hatte und wem er es zeigen sollte. Man könnte ihn missverstehen und für boshaft halten.
»Ich würde es sehr gern lesen«, bot ich an. »Ich kann ganz unvoreingenommen sein.«
»Tut mir leid, Tatie, aber ich bin mir nicht sicher, ob du das kannst.«
»Ist das denn schlimm?«
»Ich weiß es nicht. Ich werde es Scott und vielleicht auch Dos zeigen.«
Unglücklicherweise waren die beiden gar nicht begeistert von dem Projekt und rieten ihm, die Finger davon zu lassen. Sie stimmten ihm zu, dass Andersons Buch dumm und gefühlsduselig war, aber er war immer noch ein großer Schriftsteller und hatte so viel für Ernest getan. Es wäre einfach nicht fair, den Mann auf diese Weise anzugreifen. Wozu sollte das gut sein?
»Es geht darum, dass das Buch miserabel ist und es verdient, auseinandergenommen zu werden«, erklärte Ernest. »Und wenn es nun einmal getan werden muss, warum dann nicht von einem Freund?«
»Das ist eine ziemlich seltsame Art, es zu betrachten«, bemerkte Scott. »Ich sage dir, lass die Finger davon.«
Unbeirrt nahm Ernest das Manuskript mit zu den Murphys und las es ihnen laut vor, während Gerald sich alle Mühe gab, nicht schockiert zu wirken, und Sara auf dem Sofa in ihrem hellen Seidenmorgenmantel im Sitzen einschlief. Als Ernest geendet hatte, räusperte Gerald sich mehrmals und sagte ganz diplomatisch: »Für mich ist es nichts, aber irgendjemandem könnte es sicher gut gefallen.«
»Du bringst mich um«, erwiderte Ernest.
Gerald wandte sich mir zu. »Was meinst du, Hadley? Du verfügst doch über einen gesunden Menschenverstand.«
»Nun ja«, sagte ich ausweichend. »Es ist nicht ganz nett.«
»Genau«, bestätigte Gerald.
»Es soll ja auch nicht nett sein«, verteidigte Ernest sich. »Es soll lustig sein.«
»Genau«, wiederholte Gerald.
Im Stillen vertrat ich die Theorie, dass Ernest das Buch geschrieben hatte, um sich von Sherwood zu distanzieren und aus seinem Schatten zu treten. Sowohl Freunde als auch Rezensenten verglichen seine Prosa häufig mit der von Anderson, was Ernest schier verrückt machte. Er wollte mit niemandem in einer Reihe genannt werden, erst recht nicht mit einem guten Freund und Förderer seiner Arbeit. Er beteuerte, dass er Sherwood für dessen Hilfe dankbar war, sich ihm aber nicht verpflichtet fühlte. Er war nicht von ihm abhängig. Seine Arbeit gehörte ihm allein, und das würde er ein für alle Mal beweisen.
In seiner Verzweiflung, irgendwoher Anerkennung für
Die Sturmfluten des Frühlings
zu bekommen, wandte Ernest sich schließlich an Gertrude. Doch zwischen den beiden stand es schon seit einer Weile nicht zum Besten, und dies war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich war untröstlich, als er mir berichtete, wie es gelaufen war. Sie hatte ihn nahezu aus ihrer Wohnung geworfen mit den Worten: »Das ist abscheulich, Hem, und du solltest es besser wissen.«
»Sollte ich das?« Er versuchte es mit einem Lachen abzutun.
»Zumindest dachte ich einmal, du tätest es. Du hattest dich deiner Kunst voll und ganz verschrieben. Jetzt bist du hart und boshaft und scherst dich nur noch um deinen Ruhm und um Geld.«
»Tu doch nicht so scheinheilig. Du wärst doch auch liebend gern reich.«
»Ich wäre gern reich«, bestätigte sie. »Aber ich würde nicht alles dafür tun.«
»Etwa deine Freunde herunterputzen?«
Sie schwieg.
»Ich habe verstanden. Da hast du ja ein schönes Bild von mir gezeichnet.«
Er stürmte aus ihrer Wohnung, und als er nach Hause kam, wollte er zunächst kein Wort darüber reden. Aber er schloss das Buch im Schrank weg, und ich war erleichtert darüber, dass er es aufgab.
Unterdessen stand Weihnachten vor der Tür. Wir wollten wieder nach Schruns fahren und dort bis zum Frühling bleiben. Ernest steckte all seine Energie in unsere Reiseplanung.
»Wir könnten Pauline fragen, ob sie mitkommt«, schlug er vor. »Für dich
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