Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
Vom Netzwerk:
und die Stimmung war ausgelassen. Scott und Zelda erschienen ebenso wie Ford und Stella, Don Stewart und Harold und Kitty. Ein paar peinliche Augenblicke verstrichen, als alle versuchten herauszufinden, wo wir standen. Die Reise nach Pamplona hatte so schmerzhaft geendet, doch nachdem die Getränke serviert und mehrere Gläser so rasch geleert worden waren wie Medizin, lockerte sich die Stimmung. Ernest trank mehr Whiskey, als gut für ihn war, doch er benahm sich – zumindest bis zum Ende des Abends, als wir Kitty auf dem Weg nach draußen begegneten.
    »Herzlichen Glückwunsch zu deinem Buch, Hem.«
    »Danke«, erwiderte er. »Es ist voller Action und Drama, und alle tauchen darin auf.« Er machte eine Handbewegung in Richtung Bill und Harold. »Diese Mistkerle da zerreiße ich in Stücke, aber dich nicht, Kitty. Du bist ein fabelhaftes Mädchen.«
    Seine Stimme war so kalt und schneidend, dass Kitty ganz blass im Gesicht wurde. Ich zog ihn am Arm aus der Tür und fühlte mich gedemütigt.
    »Was denn?«, fragte er. »Was habe ich denn gemacht?«
    »Du bist betrunken«, antwortete ich. »Lass uns morgen darüber reden.«
    »Morgen habe ich aber auch vor, mich zu betrinken«, erwiderte er.
    Ich marschierte einfach weiter in die Richtung unserer Wohnung und war mir sicher, dass ihn am nächsten Morgen die Gewissensbisse zusammen mit gigantischen Kopfschmerzen einholen würden.
    Ich sollte recht behalten.
    »Sei nicht verletzt wegen dem, was ich zu Kitty gesagt habe«, bat er mich, als er schließlich gegen Mittag wach wurde und noch ganz grün aussah. »Ich bin ein Idiot.«
    »Es war eine lange Nacht. Da kann so etwas passieren.«
    »Was ich auch gesagt habe, das Buch ist das Buch. Es ist nicht das Leben.«
    »Ich weiß«, versicherte ich ihm. Als er mir jedoch die Seiten zum Lesen gab, erkannte ich schnell, dass darin alles genauso stand, wie es sich in Spanien abgespielt hatte, jedes schmutzige Detail der Gespräche und jede angespannte Begegnung. Er hatte alles nahezu wortwörtlich niedergeschrieben, nur eine Sache war anders: Ich tauchte darin überhaupt nicht auf.
    Duff war die Heldin. Das wusste ich bereits und hatte nichts anderes erwartet, dennoch war es beunruhigend, ihren Namen wieder und wieder lesen zu müssen. Er hatte ihn noch nicht in Lady Brett abgewandelt. Duff war Duff, und Harold war Harold, Pat war ein elender Säufer, und außer den Stierkämpfern waren alle in schlechter Verfassung. Ernest hatte Kitty angelogen, denn auch sie tauchte in einer äußerst unschmeichelhaften Rolle im Text auf. Aus sich selbst hatte er Jake Barnes gemacht, und dieser Jake war impotent – was sollte ich bloß davon halten? Sah er also seine eigene Sittlichkeit, seine Feigheit, seinen gesunden Menschenverstand oder was es auch war, das ihn davon abgehalten hatte, mit Duff zu schlafen, als Impotenz an?
    Aber wenn ich auch nur einen kleinen Schritt von all diesen Zweifeln und Fragen zurücktrat, konnte ich erkennen, wie außergewöhnlich dieses Werk war, aufregender und lebendiger als alles, was er je zuvor geschrieben hatte. Während ich in Pamplona nur das Chaos und das Desaster sah, hatte er die gute Geschichte darin erkannt. Er hatte sie geformt und sie zu etwas Größerem gemacht; etwas, das ewig Bestand habenwürde. Ich war unendlich stolz auf ihn, und gleichzeitig war ich verletzt, weil ich keinen Platz in seinem Buch gefunden hatte. Diese Gefühle waren unentwirrbar in mir, doch keines war wahrer als das andere.
    Ich las die Seiten voller Erwartung und Furcht und musste zwischendurch häufig Pausen einlegen, das Manuskript weglegen und mich innerlich wieder zurechtrücken. Ernest hatte so lange konzentriert und einsam gearbeitet, dass es ihn nun schier wahnsinnig machte, auf eine Meinung warten zu müssen.
    »Taugt es etwas?«, fragte er, als ich endlich fertig war. »Ich muss es wissen.«
    »Mehr als das, Tatie. Es ist einzigartig.«
    Er lächelte froh und erleichtert und ließ einen kleinen Freudenschrei erklingen. »Teufel auch!«, rief er. Bumby saß neben uns auf dem Fußboden und kaute auf einer geschnitzten Spielzeuglokomotive herum, die Alice und Gertrude ihm geschenkt hatten. Ernest hob ihn mit einem Schwung hoch in die Luft, und Bumby quietschte glücklich.
    »Papa«, sagte er. Es war sein erstes Wort gewesen, und er sagte es gern und so oft wie möglich, was Ernest gut gefiel.
    »Papa hat ein wirklich gutes Buch geschrieben«, erklärte Ernest und lächelte Bumby an, dessen Wangen sich immer stärker

Weitere Kostenlose Bücher