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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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röteten.
    »Gib ihm einen Kuss«, sagte ich, und Bumby, der sich nun fröhlich in Ernests Armen wand, gab ihm einen feuchten Kuss auf die Wange.
    Dieser Augenblick war perfekt, wir drei standen in einer Reihe und blickten auf denselben hellleuchtenden Stern. Doch als ich später an jenem Abend schlaflos im Bett lag, meldeten sich meine Sorgen zurück und ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Von der ersten Zeile an war ich aus der Geschichte herausgeschnitten worden. Warum schien Ernest sich nichtzu sorgen, ich könnte deswegen verletzt oder eifersüchtig sein? Nahm er an, dass ich begriff, dass der Roman eine unwiderstehliche Heldin brauchte, die ich nun einmal nicht war? Mir lief er jedenfalls nicht mit einem Notizblock hinterher und schrieb jeden schlauen Satz auf, den ich äußerte, wie er es bei Duff getan hatte. Kunst war Kunst, aber wie dachte Ernest selbst darüber? Ich musste es wissen.
    »Tatie«, sagte ich in die Dunkelheit hinein und hoffte, er würde bereits tief und fest schlafen. »Bin ich in deinem Buch jemals vorgekommen?«
    Er schwieg mehrere Sekunden lang und sagte dann ganz leise: »Nein, Tatie. Tut mir leid, wenn dich das verletzt.«
    »Kannst du mir sagen, weshalb?«
    »Nicht genau. Die Ideen kommen zu mir, nicht andersherum. Aber ich schätze, es hat etwas damit zu tun, dass du nie mit uns im Dreck gewühlt hast. Falls das einen Sinn ergibt, würde ich sagen, du warst nie Teil der Geschichte, sondern hast irgendwie darüber geschwebt, weil du einfach besser warst als der Rest von uns.«
    »So ist es mir zwar nicht vorgekommen, aber das ist ein netter Gedanke. Ich möchte es gern glauben.«
    »Dann tu das.« Er drehte sich zu mir um, und sein Blick suchte meinen. »Ich liebe dich, Tatie. Du bist der beste Teil von mir.«
    Ich ließ mich seufzend in seine Worte fallen und verspürte nur den kleinsten Hauch eines Zweifels. »Ich liebe dich auch.«
     
    In den folgenden Wochen setzte Ernest seine Arbeit an dem Roman fort, straffte die Sprache und strich ganze Szenen heraus. Er hatte nichts anderes im Kopf, und weil er so abgelenkt war, war ich froh, Freunde um mich zu haben, die mir Gesellschaft leisteten. Er schien nichts gegen Pauline zu haben, wofür ich sehr dankbar war.
    »Sie plappert ein bisschen zu viel über Chanel«, gab er zu. »Aber sie hat auch Ahnung von Büchern. Sie weiß, was ihr gefällt, und sie kann auch sagen,
weshalb
. Das ist heutzutage selten, die Leute sind ja nur noch voll mit heißer Luft. Man weiß nicht mehr, wem man noch vertrauen kann.«
    Da Ernest es billigte, schaute Pauline bald regelmäßig nachmittags in der Sägemühle vorbei, um mir Gesellschaft zu leisten. Wir tranken Tee, während Bumby spielte oder seinen Mittagsschlaf hielt, und manchmal ging sie mit mir ins Musikgeschäft, wo ich auf meinem gemieteten Klavier übte.
    »Du spielst wirklich wundervoll«, sagte sie eines Tages, als ich ein Stück beendet hatte. »Besonders das von Busoni. Ich musste beinahe weinen. Warum hast du eigentlich nie richtig vor Publikum gespielt?«
    »Ich habe es nicht bis dahin geschafft. Ich war einfach nicht gut genug.«
    »Du könntest es immer noch tun. Und das solltest du auch.«
    »Das ist lieb von dir, aber es ist nicht wahr.« Ich dehnte meine Finger und klappte dann mein Notenheft zu. »Außerdem ist mein Leben jetzt nun einmal so, wie es ist. Und ich würde gar kein anderes haben wollen.«
    »Nein, das würde ich an deiner Stelle auch nicht«, stimmte sie mir zu. Als wir vom Laden nach Hause liefen, spukte ihr der Gedanke jedoch immer noch im Kopf herum. »Vielleicht müsstest du aber auch gar nichts aufgeben, um dich stärker auf die Musik zu konzentrieren«, fing sie an. »Ein Konzert müsste nicht unbedingt ein traumatisches Erlebnis werden. Alle lieben dich. Sie wollen gern sehen, dass du Erfolg hast.«
    »Aber es würde so viel mehr Zeit und Anstrengungen kosten«, gab ich zu bedenken. »Und ich bräuchte mein eigenes Klavier.«
    »Das solltest du sowieso bekommen. Und das weiß Hem sicher auch. Ich kann ja mal mit ihm reden, wenn du möchtest.«
    »Wir werden sehen«, erwiderte ich. »Ich will darüber nachdenken.«
    Die Angst vor einem Auftritt vor Publikum hatte mich nie ganz verlassen, doch ich fragte mich, ob ein Konzert nicht vielleicht doch gut für mich sein könnte – gerade jetzt, da Ernest so tief in seinen Roman versunken war. Das Buch ließ ihn an nichts anderes denken und schlich sich sogar ein, wenn wir miteinander schliefen. In einem Moment konnte

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