Madame Hemingway - Roman
schicke Varieténummer mit stichwortartig vorgetragenen kleinen Scherzen voller schwarzen Humors. Sie konnten einiges an Alkohol vertragen, blamierten dabei weder sich selbst noch andere und hatten immer etwas Interessantes zu erzählen. Jinny war nicht vergeben, doch wenn sie tatsächlich Frauen bevorzugte, wie Kitty behauptete, dann ergab das durchaus Sinn. Schwieriger war es zu begreifen, weshalb Pauline noch nicht verheiratet war.
»Es war schon alles geplant mit meinem Cousin Matt Herold«, erzählte sie eines Tages, als ich sie ein wenig ausquetschte. »Ich hatte mir sogar schon ein Kleid ausgesucht und ein halbes Dutzend Kuchen probiert.« Sie erschauderte. »Sie haben natürlich alle nach Kuchen geschmeckt.«
»Ist irgendetwas Schlimmes zwischen euch vorgefallen?«, hakte ich nach.
»Nein. Das hätte es wahrscheinlich sogar einfacher gemacht. Ich fand nur, dass ich ihn nicht genügend liebte. Ich mochte ihn. Er wäre sicherlich ein wunderbarer Ernährer und auch ein guter Vater geworden. Ich konnte mir unser ganzes Leben bereits ausmalen, aber ich hatte kein richtiges Gefühl dazu. Ich wollte etwas Großes, Mitreißendes.«
»Die Art von Liebe, wie man sie in Büchern findet?«
»Vielleicht. In dieser Hinsicht bin ich wohl ziemlich einfältig.«
»Ganz und gar nicht. Ich liebe Romantik. Aber die Frauen von heute scheinen dafür viel zu fortschrittlich zu sein.«
»Es ist so verwirrend, woher soll man wissen, was man will, wenn es so viele Möglichkeiten gibt? Manchmal denke ich, ich sollte das mit dem Heiraten ganz aufgeben und einfach weiter arbeiten. Ich will schließlich
nützlich
sein.« Sie verstummte und lachte dann über sich selbst. »Ich schätze mal, das kann man auch wieder in irgendeinem Roman lesen.«
»Vielleicht bekommst du aber auch am Ende alles, was du dir wünschst. Auf mich wirkst du zumindest ziemlich clever.«
»Wir werden sehen«, erwiderte sie. »Und bis dahin sind wir eben zwei Junggesellinnen.«
»Frei und unbeschwert?«
»Warum nicht?«
Mich selbst auf diese Weise zu sehen war eine merkwürdige Vorstellung. Ernest hätte sicher etwas dagegen, und ich fragte mich, was er wohl überhaupt davon halten würde, dass ich so viel Zeit mit Pauline verbrachte. Wenn ihm Kitty zu oberflächlich war, dann würde Pauline es auch sein. Sie war genau die Sorte professioneller Schönheit, die er verachtete. Sie sprach nicht nur endlos über Mode, sie fand auch immer einen Weg,sich in die Nähe der interessantesten Menschen zu bringen und diese daraufhin abzuschätzen, wie sie ihr vielleicht einmal nutzen konnten. Sie fixierte sie mit ihren dunklen Augen, und die Räder ihres Hirns drehten sich blitzschnell. Spontaneität schien für Pauline ein Fremdwort zu sein. Sie traf nur, wen sie gerade treffen wollte. Wenn sie mit einem sprach, hatte sie sich schon zuvor die Worte zurechtgelegt, so dass jede ihrer Äußerungen scharfsinnig und perfekt formuliert war. Ich bewunderte ihr Selbstbewusstsein und war davon auch ein wenig eingeschüchtert. Sie strahlte diese gewisse Art von Mühelosigkeit aus, die letzten Endes doch einiges an Mühe kostete. Ich wusste nie so richtig, was ich in Gesellschaft von anderen Frauen sagen sollte, die so waren wie sie – Zelda zum Beispiel –, doch unter Paulines vornehmen Kleidern und ihrem modernen Haarschnitt erschien sie mir aufrichtig und auch vernünftig. Mit der Zeit bekam ich das Gefühl, dass ich auf sie zählen konnte.
Mitte September kam Ernest aus Madrid nach Hause und sah sowohl erschöpft als auch stolz aus. Ich schaute ihm dabei zu, wie er seine Koffer auspackte, und staunte, was er geleistet hatte. Vor mir lagen sieben volle Notizbücher, Hunderte von Seiten, alle in nur sechs Wochen beschrieben.
»Bist du also fertig, Tatie?«
»Fast. Ich bin so nah dran, dass ich es kaum über mich bringe, das Ende zu schreiben. Klingt das sehr unlogisch?«
»Kann ich es gleich lesen?«
»Bald«, antwortete er. Er zog mich an sich und nahm mich lang und fest in den Arm. »Ich habe das Gefühl, ich könnte nun erst mal jahrelang schlafen.«
»Dann leg dich hin«, sagte ich, doch er zog mich mit zum Bett und begann, an meinen Kleidern zu zerren, und seine Hände waren plötzlich überall zur gleichen Zeit.
»Ich dachte, du wärst müde«, bemerkte ich. Er küsste mich nur rauh als Antwort, und ich verstummte.
Eine Woche später hatte er den ersten Entwurf beendet, und wir gingen aus, um mit Freunden zu feiern. Wir trafen uns im Nègre de Toulouse,
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