Madame Hemingway - Roman
schon gestellt? Hundertmal? Tausendmal?
»Ich bin immer auf deiner Seite«, antwortete ich und fragte mich, ob nur ich allein die komplexe Wahrheit dieser Aussage über uns im dunklen Zimmer schweben spürte.
Fünfunddreißig
Der Februar in Schruns war ein kleiner Vorgeschmack auf die Hölle. Draußen peitschte und tobte das Wetter, und drinnen sah es auch nicht viel besser aus, weil der Inhalt meines Lebens zuerst nach Paris und dann nach New York gefahren war und ich allein mit meinen Gedanken zurückblieb.
Am Abend vor Ernests Abreise hatte ich ihm beim Packen geholfen, doch die Stimmung war angespannt gewesen.
»Du könntest bis Le Havre mitkommen und mich dort verabschieden.«
»Mit dem Kleinen ist das Zugfahren zu anstrengend.«
»Dann lass ihn hier bei Tiddy. Es wäre doch nur für ein paar Tage.«
»Vielleicht«, erwiderte ich, wusste jedoch schon, dass ich es nicht tun würde, da es unsere Probleme auch nicht lösen könnte. Es würde weder meine Sorgen vertreiben, dass ein Keil zwischen uns getrieben wurde, dass er aufgehört hatte, mir zuzuhören und zu vertrauen, noch würde es meine Ängste zerstreuen, dass er sich immer mehr Pauline zuwendete. Er fühlte sich zweifellos zu ihr hingezogen, doch eigentlich glaubte ich nicht, dass er irgendetwas tun würde. Das hatte er bei Duff schließlich auch nicht, und sie war nicht annähernd so eng mit uns verbunden. Pauline war meine Freundin. Er würde das nicht zerstören wollen und sie genauso wenig. Seit wir sie in den Zug nach Paris gesetzt hatten, kamen beinahe täglich Briefe von ihr. Sie waren stets an uns beide gerichtet, ihre beiden »Lieblinge«, wie sie zu sagen pflegte, ihre »Hochgeschätzten«. Ihr Tonfall war so ausgelassen und unbeschwert wie Pauline selbst, und wenn ich ihre Worte las, fühlte ich mich besser.Es half mir auch, mich daran zu erinnern, dass sie sich die ganz große Romantik wünschte, wie man sie nur in Büchern fand. Mit einer billigen Affäre würde sie sich nicht zufriedengeben. Das war nicht ihr Stil.
»Du wirst sicher auch Pauline in Paris treffen«, erwähnte ich, als Ernest die letzten übriggebliebenen Sachen in seinen Koffer warf.
»Wenn es zeitlich passt. Sie ist gerade sehr beschäftigt mit den Frühjahrsmodenschauen, und ich will auch noch eine Menge anderer Freunde treffen. Du kommst also nicht mit?«
»Nein, ich glaube, ich bleibe lieber hier.«
»Wie du willst«, erwiderte er und ließ den Verschluss seines Koffers zuschnappen.
Ernest war zehn Tage lang auf See und damit nicht erreichbar. Während dieser Zeit gingen Bumby und ich so gut wie möglich unserer täglichen Routine nach, da sie mir Sicherheit und Stabilität gab. Wir aßen zu festgelegten Zeiten immer die gleichen Dinge. Wir gingen zeitig ins Bett und standen früh wieder auf. Nachmittags ging ich im Dorf spazieren und schrieb Briefe, während Tiddy auf Bumby aufpasste. An den meisten Vormittagen probte ich eine Bach-Busoni-Chaconne, bis mir fast die Finger abfielen. Ich wollte sie bei meinem Konzert spielen, dem ich nun endlich zugestimmt hatte. Ernests Abwesenheit und meine wachsenden Ängste überzeugten mich davon, dass ich es mehr denn je brauchte. Ich schrieb dem Direktor des kleinen Konzertsaals Salle Pleyel in der Rue Rochechouart einen Brief, in dem ich mein Interesse bekundete, dort aufzutreten, und ihm meinen musikalischen Hintergrund sowie meine Beziehungen darlegte. Von nervöser Unruhe erfüllt, wartete ich auf eine Antwort, was sich jedoch als unnötig herausstellte. Er schrieb bald äußerst liebenswürdig zurück und setzte den Termin auf den 30. Mai fest. Die Einzelheitenwürden wir klären, wenn ich Anfang April nach Paris zurückkehrte.
Als ich endlich auch einen Brief von Ernest erhielt, las ich, dass er nach seiner Ankunft in New York als erstes zu Horace Liverights Büro marschiert war. Das Treffen war gut verlaufen. Liveright war höflich geblieben, und die Trennung kam einvernehmlich und ohne böses Blut zustande. Noch viel wichtiger war aber, dass Maxwell Perkins
Sturmfluten
für ein »großartiges Buch« hielt. Er hatte ihm einen Vorschuss von tausendfünfhundert Dollar auf die Tantiemen von diesem und seinem Stierkampfroman mit dem neuen Titel
Fiesta
zusammen angeboten. Wir hatten noch nie gehört, dass irgendjemand so viel Geld für ein Buch bekam. Er wollte New York Ende der Woche verlassen, entschied sich aber in letzter Minute um und verlängerte seinen Aufenthalt. Schließlich fühlte er sich dort gerade
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