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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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noch Bumbys trockenen Husten aus dem Nachbarzimmer vernehmen. Je älter er wurde, desto seltener wachte er nachts auf, und wir stellten Tiddy mittlerweile nur noch für tagsüber ein. Aber als ich hörte, wie das Husten lauter wurde, überlegte ich, dass es für Momente wie diesen schön wäre, sie auch nachts dazuhaben.
    »Wirst du zu ihm gehen?«, fragte Ernest. »Du willst doch sicher nicht unsere guten, großzügigen Gäste aufwecken.«
    »Musst du so gemein sein?«, erwiderte ich, stand müde auf und griff nach meinem Morgenmantel.
    »Ja, muss ich. Das hält mich in Form.« Er rollte sich zur Seite und suchte umständlich nach einer bequemen Schlafposition, während ich mich um unseren Sohn kümmern ging, der noch nicht einmal wirklich wach geworden war. Er hustete mit geschlossenen Augen und träumte dabei einfach weiter. Als der Anfall schließlich vorbei war, wirkte er völlig friedlich und atmete tief und ruhig. Ich kehrte in unser Zimmer zurück und kletterte ganz leise ins Bett, da ich davon ausging, dass Ernest bereits schlief. Doch er war noch wach.
    »Tut mir leid, dass ich so ein launischer Mistkerl bin«, sagte er in die Dunkelheit hinein. »Du warst immer schon der bessere Mensch von uns beiden.«
    »Das stimmt nicht«, sagte ich und drehte mich zu ihm um. »Wir sind doch ein und dieselbe Person, oder nicht?«
    »Natürlich«, erwiderte er, zerzauste mein Haar und küsste mich auf die Nase. »Gute Nacht, Tatie.«
    »Gute Nacht, Tatie«, sprach ich ihm nach.

Sechsunddreißig
    Das Schloss in Chenonceaux spiegelte sich perfekt im Wasser des Flusses Cher. Es sah aus, als hätte ich es soeben mit meiner Vorstellungskraft heraufbeschworen, als wäre es einem Traum entsprungen und würde so lange dort in der Luft schweben, bis ich wegschaute und es sich wieder auflöste. Ich konnte meinen Blick jedoch einfach nicht von der doppelten Bogenreihe abwenden, bis ich nicht mehr in der Lage war zu unterscheiden, welche davon echt war und welche nur Spiegelung.
    »Es wird das Schloss der Damen genannt«, las Pauline aus ihrem Reiseführer vor.
    »Warum?«, fragte Jinny.
    »Das steht hier nicht. Vielleicht, weil es die prachtvollste Dame weit und breit ist.«
    »Vielleicht wurden hier aber auch die Damen in ihre Korsetts geschnürt und still gehalten, während die Männer sich in ihrem eigenen Schloss mit Huren amüsierten und Unmengen an Fleisch vertilgten«, mutmaßte Jinny.
    Ich lachte. »Man könnte fast meinen, du kannst Männer nicht ausstehen.«
    »Ach, sie können durchaus nützlich sein.«
    »Das kann man wohl sagen«, bemerkte Pauline.
    Wir unternahmen gemeinsam eine Reise zu den Schlössern im Tal der Loire. Ich war noch nie zuvor dort gewesen, doch Jinny und Pauline wussten genau, wo man übernachten, in welchen Restaurants man einkehren und was man dort bestellen sollte. In Tours hatten wir Gehacktes vom Schwein gegessen, wir hatten Wildschwein, Wachteln und zarte Kalbsschnitzelprobiert, dazu weißen Spargel, Pilze, die auf der Zunge schmolzen, und sieben verschiedene Sorten Ziegenkäse. Überall gab es regionale Weine zu kosten, und nachts schliefen wir behaglich in den besten Gasthäusern. Zu Anfang hatte ich mich unwohl dabei gefühlt, die Mädchen alle Rechnungen bezahlen zu lassen, aber sie beharrten darauf, dass ich ihr Gast sei und dass sie die ganze Reise nur geplant hätten, um mich ein wenig zu verwöhnen.
    Normalerweise wollte Ernest nicht, dass ich Geschenke annahm, aber als Pauline und Jinny kurz nach unserer Rückkehr nach Paris im April den Vorschlag machten, mit mir an die Loire zu fahren, hatte er mich überraschenderweise sogar dazu ermutigt.
    »Marie Cocotte wird jeden Tag vorbeikommen und uns das Essen zubereiten«, sagte er. »Das Buch ist fertig. Ich werde Bumby zu den Radrennen mitnehmen und mit ihm in den Park gehen, damit er dort im Sonnenschein seinen Mittagsschlaf halten kann. Wir werden ein gutes Team sein, und du hast dir wirklich eine Pause verdient.«
    Und das sah ich genauso. In den letzten Wochen in Schruns hatte ich jede freie Minute damit verbracht, voller Versagensängste die Stücke für mein Konzert zu üben. Wir hatten all unseren Freunden und Bekannten davon erzählt, und der Saal war schon fast ausverkauft. Der Gedanke daran war kaum zu ertragen, doch ich hielt mich immer an die gerade bevorstehende Arbeit, an jedes einzelne Stück, jede Phrase und jede kleine Nuance, und vertraute darauf, dass ich mich zur Not auch allein auf die Gewohnheit verlassen konnte,

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