Madame Hemingway - Roman
schlaues Mädchen«, sagte ich und verspürte einen Anflug von Neid auf ihre wachsende Zuneigung. Sie
war
schlau, und es schien ihr Freude zu bereiten, sich intellektuell auf Ernests Niveau zu bewegen. Ich hatte ihn zwar von dem Tag an bewundert und unterstützt, als er mir in Chicago zum ersten Mal die zerknitterten Seiten übergab, aber ich war keine Kritikerin. Ich konnte ihm nicht erklären,
weshalb
seine Arbeit gut war oder warum sie literarische Bedeutung hatte, dieser uralte Dialog zwischen Schriftstellern und Literaturliebhabern. Pauline war dazu in der Lage, und wie nicht anders zu erwarten war, sprang er darauf an. Er war voller Energie, besonders, wenn er abends nach getaner Arbeit die Treppe herunterkam, da nun jemand Interessantes auf ihn wartete, mit dem er sich unterhalten konnte. Was konnte aufregender sein? Ich mochte ihn wie verrückt lieben und mir alle Mühe geben, ihn zu verstehen und zu unterstützen, aber mein Blick und mein Lächeln waren nach fünf Jahren nichts Aufregendes mehr. Ich war nicht mehr
neu
.
Zwei Tage nach Weihnachten kam die Antwort von Boni and Liveright. Sie lehnten die
Sturmfluten
ab. Abgesehen davon,dass das Buch eine unnötig boshafte Satire sei, die Anderson angriff, glaubten sie nicht, dass es sich gut verkaufen würde. Es sei zu kopflastig und nicht halb so lustig, wie es sein wollte. Sie waren jedoch immer noch sehr am Roman über die spanische Fiesta interessiert und warteten gespannt auf dessen Fertigstellung.
»Dann bin ich jetzt ein freier Mann«, sagte Ernest säuerlich, nachdem er uns das Telegramm laut vorgelesen hatte. »Scott hat mit Max Perkins von Scribner über mich gesprochen, und dann gibt es ja auch noch Harcourt. Ich kann gehen, wohin ich will.«
»Irgendjemand muss doch dein künstlerisches Genie erkennen«, rief Pauline und haute mit der Faust auf die Armlehne ihres Sessels.
»Ich weiß nicht«, gab ich zu bedenken. »Willst du wirklich die Verbindung zu Liveright abbrechen? Sie haben sich doch bei
In unserer Zeit
dir gegenüber anständig verhalten.«
»Warum musst du immer so vernünftig sein? Ich will nicht immer auf Nummer sicher gehen. Außerdem sollten die
mir
dankbar sein. Sie haben schließlich gutes Geld an mir verdient.«
»Und es gibt ja wirklich auch noch andere Verlage«, fügte Pauline hinzu. »Scott hat mit Scribner großes Glück gehabt. Vielleicht wäre das auch das Richtige für dich.«
»Irgendwo wird das Buch schon Anerkennung finden«, sagte er. »Es ist nämlich verdammt noch mal gut.«
»O ja, das ist es!«, rief sie. »Ich werde selbst nach New York fahren und Max Perkins erklären, was lustig ist, wenn er nicht von allein drauf kommt.«
Ernest lachte und schwieg dann einen Augenblick. Schließlich sagte er: »Wisst ihr, vielleicht ist es gar keine schlechte Idee, nach New York zu fahren und mich persönlich mit Perkins zu treffen. Scott meint, er sei der Beste, aber es wäre sicher gut,den Vertrag von Angesicht zu Angesicht abzuschließen, falls er überhaupt zustande kommt.«
»Ich finde die Idee prima«, verkündete Pauline, und ich stellte erschrocken fest, wie schnell auch aus diesem Vorhaben eine vollendete Tatsache geworden war. Sie schien immer genau das zu sagen, was er hören wollte, und offensichtlich stärkte es sie beide, dass sie in so vielen Dingen einer Meinung waren. Währenddessen stand ich allein da, weil ich gegen
Sturmfluten
und den ganzen Plan war.
»Aber du kannst das alles doch sicher auch schriftlich regeln«, wandte ich ein. »Oder du fährst im Frühling, wenn du mit den Änderungen an deinem neuen Buch fertig bist. Dann hast du Perkins auch noch mehr zu zeigen.«
»Aber
Sturmfluten
ist bereits fertig. Ich weiß, dass du das Buch hasst, aber ich habe vor, das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist.«
»Ich hasse es nicht«, widersprach ich. Aber er war bereits aufgestanden und schenkte sich einen weiteren Drink ein, während sein Kopf offensichtlich von Gedanken schwirrte.
»Es ist die richtige Entscheidung, du wirst schon sehen«, sagte Pauline.
»Ich hoffe, dass du recht hast«, erwiderte ich.
Später an diesem Abend, als wir uns zum Schlafengehen bereit machten, sagte ich: »Weißt du, ich bin nicht
nur
vernünftig. Es gab eine Zeit, da hast du meine Ehrlichkeit geschätzt.«
»Ja«, sagte er mit einem leichten Seufzer. »Du bist sehr gut und sehr ehrlich. Aber ich werde es trotzdem tun. Bist du auf meiner Seite?«
Wie oft hatte er mir diese Frage im Verlauf unserer Ehe nun
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