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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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Atemluft zu gelangen, beinahe selbst den Kopf abgetrennt.«
    »Bis zum Knochen«, fügte Fräulein Glaser hinzu. Sie sah so frisch und reizend aus mit ihrem ordentlichen Haarknoten und ihrem gebräunten Gesicht, dass es schockierend war, solche schrecklichen Details aus ihrem Mund zu hören. »Vor einigen Jahren ist ein Mann bei einer Pulverschneelawine ums Leben gekommen. Er hatte sich gerade umgedreht, um seinem Freund zuzuwinken, und so sind sie beide winkend und lächelnd gestorben.«
    »Den Teil mit dem Lächeln kann ich nicht so recht glauben«, bemerkte ich.
    »Ich schon«, meinte Ernest. Das Feuer knisterte und zischte, und wir schwiegen eine Weile. »Vielleicht ist es wie mit dem Stierkampf und auch allem anderen«, sagte er schließlich und starrte in seine Tasse Glühwein. »Vielleicht kann man die Lawine studieren, sich über ihre Bedingungen und Auslöser schlau machen und herausfinden, wie man es überlebt, wenn sie über einen hinwegrollt.«
    »Schon möglich«, erwiderte Herr Lent. »Zumindest kann man seine Chancen erhöhen, aber gefährlich wird es immer bleiben.«
    »Denken Sie, wir können in dieser Saison noch einmal auf den Berg?«, fragte Ernest.
    »Unwahrscheinlich«, antwortete Herr Lent. »Und falls Sie jemanden überreden können, Sie hinaufzubringen, werde ich das ganz sicher nicht sein. Ich würde es nicht ertragen, wenn noch einmal etwas passierte.«
    Fräulein Glaser nickte teilnahmsvoll, doch Ernest schien Herrn Lents Erfahrung kein bisschen nachdenklich zu stimmen. Er dachte immer noch darüber nach, wie man es angehen konnte. Das sah ich an dem Leuchten in seinen Augen, das er immer bekam, wenn sich ihm eine Herausforderung bot. Er wollte seine Fähigkeiten und auch seine Angst auf die Probe stellen, während ich nur dachte:
Menschen sind gestorben. Wir sollten überhaupt nicht hier sein.
    Da Lent uns unerbittlich das Skifahren verweigerte, waren wir froh, als Dos Passos uns gegen Ende März schrieb, er werde gemeinsam mit den Murphys auf einen Besuch vorbeikommen. Als sie da waren, war es in Schruns genauso, wie es mit den reichen Leuten überall war. Das Leben war zu jeder Tages- und Nachtzeit eine einzige Party, und alle waren stets bestens gelaunt.
    »Ich liebe euren kleinen geheimen Zufluchtsort«, erklärte Sara Murphy, als sie in neuen, makellosen Skiklamotten zum Frühstück erschien, auch wenn es keine Chance gab, auf die Piste zu gehen.
    »Es ist der schönste Ort, den es gibt«, bestätigte ich.
    »Bloß nicht mehr länger geheim«, bemerkte Ernest mit einem höhnischen Lächeln.
    Ernest beschwerte sich schnell über den unendlich guten Geschmack und die Unmengen von Geld, über die das Paar verfügte. Er war Sara gegenüber ein wenig nachgiebiger, da sie so wunderschön war und uns allen einen hübschen Anblick bescherte. Mit Gerald war es schwieriger. Er war zu geschliffen und kultiviert für Ernests Geschmack. Seine Kleidung saß stets perfekt, und er drückte sich so gewählt aus, dass man unweigerlich das Gefühl bekam, er habe sich selbst zu einem Wesen geformt, das ausschließlich aus Charme und Eleganz bestand. Zugleich schien er auf sonderbare Weise fest entschlossen, alles zu tun, womit er Ernest beeindrucken und sich seine Anerkennung und Freundschaft verdienen konnte. Der Berg war zwar nicht betretbar, doch Ernest gab Gerald Skistunden auf dem Hügel hinter der »Taube«. Bald fing Gerald an, Ernest »Papa« zu nennen, da er ein routinierter Lehrer war und diese Rolle liebte. Er rief: »Zeig mir noch einmal, wie ich diese Drehung am Ende des Abhangs hinbekomme, Papa. Das sah ganz herrlich aus.«
    Ernest blieb jedoch skeptisch. »Sie könnten die ganze verdammte Riviera kaufen, wenn ihnen der Sinn danach stünde«,sagte er eines Abends im Bett. »Und dann würden sie dort alle möglichen interessanten Exemplare hin verpflanzen, die sie rund um die Uhr unterhalten sollen, so wie uns. Wir sind alle nur Affen für den Leierkastenmann, und Dos ist der Schlimmste von allen. Er bemüht sich viel zu sehr, ihnen stets alles recht zu machen.«
    »Aber sie können doch auch sehr nett sein und sind obendrein äußerst großzügig, findest du nicht?«
    »Hier ist sie wieder, meine gute und treue Ehefrau. Würde es dich umbringen, mir auch nur ein einziges Mal zuzustimmen?«
    »Würde es dich umbringen, auch einmal das Gute in ihnen zu sehen? Sie bewundern dich bedingungslos.«
    »Die ganz Reichen bewundern immer nur sich selbst.«
    Wir lagen eine Weile still und konnten nur

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