Madame Hemingway - Roman
nicht?«
Als Ernest ihr nach dem Essen die Seiten brachte, verkündete sie: »Es ist mir eine große Ehre.«
»Wir werden ja sehen, ob du noch so denkst, wenn du dasverdammte Ding gelesen hast«, sagte er und machte sich dann zum Billard mit Herrn Lent bereit.
Erst als ich hinter sie trat, um ihr über die Schulter zu blicken, sah ich, dass er ihr das Manuskript von
Die Sturmfluten des Frühlings
gegeben hatte. Mir wurde ein wenig schlecht bei der Vorstellung, dass er den Gedanken an dieses Projekt nie wirklich aufgegeben hatte. Er hatte nur den rechten Augenblick und den richtigen Leser abgewartet.
Nachdem Ernest zu seiner Billardpartie gegangen war und Pauline es sich in dem hübschen roten Sessel vor dem Kamin gemütlich gemacht hatte, setzte ich mich wieder ans Klavier. Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, da sie beim Lesen immer wieder laut auflachte. Schließlich entschied ich, dass mir ein langer Spaziergang guttun würde, und wir alle trafen uns erst mehrere Stunden später zum Abendessen wieder.
»Es ist wirklich umwerfend komisch«, erklärte sie Ernest, noch bevor er sich niedergelassen hatte. »Verdammt schlau und äußerst witzig. Meine Stimme hast du.«
»Ich fand auch, dass es witzig ist«, erwiderte er. »Aber meine lieben Freunde scheinen es anders zu sehen.« Er sah mich demonstrativ an.
»Ich finde nur, dass es Sherwood gegenüber gemein ist«, sagte ich.
Pauline sah ihre Chance. »Aber wenn das Buch gut ist, ist es dann nicht eine Art Tribut an Anderson?«, fragte sie. »Keine Presse ist schlechte Presse, oder nicht?«
»Genau das habe ich auch gedacht«, wiederholte Ernest und so stachelten die beiden sich weiter an und wurden immer emphatischer in ihrer gegenseitigen Zustimmung.
»Anders kann man es doch gar nicht sehen, oder? Vielleicht fühlt er sich ja sogar geschmeichelt«, fuhr sie fort.
»Einen großen Mann kann Satire niemals verletzen«, verkündete er.
»Also, ich finde es jedenfalls großartig. Es ist ein verdammt gutes Buch, und du solltest es dem Verlag sofort einreichen.«
Erst in diesem Augenblick verstand ich wirklich, wie verletzt er gewesen war, als alle, mich eingeschlossen, das Buch verunglimpft und ihm davon abgeraten hatten. Er war abhängig vom Lob der anderen. Er war abhängig von der Liebe und Bewunderung der anderen. Es bereitete mir jedoch Sorgen, dass Pauline ihn jetzt auf diese Weise unterstützte. Mit ihrer Ermutigung würde er die
Sturmfluten
an Boni and Liveright schicken, seinen neuen amerikanischen Verlag, und daraus würde sicher nichts Gutes entstehen. Anderson war ihr wichtigster Autor, und da sie nur auf sein Einwirken hin Ernest überhaupt unter Vertrag genommen hatten, konnte ich mir nicht vorstellen, dass das Buch sie nicht verärgern würde. Und wenn Anderson davon Wind bekam, würde er mehr als nur verärgert sein. Ich ging davon aus, dass wir damit endgültig seine Freundschaft verlieren würden, so wie wir offensichtlich auch schon Gertrudes eingebüßt hatten. Es fiel mir schwer mitanzusehen, wie Ernest diese Mentoren von sich stieß, als könnte er nur auf diesem Wege sich selbst (und allen anderen) beweisen, dass er sie von Anfang an gar nicht gebraucht hatte. Doch ich hatte das Gefühl, mir waren die Hände gebunden, was dieses Buch anging. Ich konnte nicht noch mehr dagegen sagen.
Am nächsten Nachmittag sortierte Ernest das Typoskript und verpackte es zusammen mit einem Brief an Horace Liveright, in dem er schrieb, er würde ihm das Buch für einen Vorschuss von fünfhundert Dollar überlassen, und sein Stierkampfroman, der ihn schon ganz vereinnahmte, sei ebenfalls beinahe vollendet. Und schon trat das Paket seine Reise an.
Während wir auf eine Antwort warteten, bescherte uns ein erneuter Sturm mehr Regen. Wir verbrachten unsere Zeit also im Hotel, lasen und aßen so gut wie nie zuvor. Nachmittagsmachten Ernest und Pauline lange Spaziergänge in den Hügeln hinter dem Hotel oder schlenderten langsam und ins Gespräch vertieft durch die Stadt.
»Sie liest so viel«, sagte er eines Abends zu mir, als wir uns ins Bett legten. »Und sie kann sich wunderbar über Bücher unterhalten.«
»Nicht nur über Henry James, willst du wohl damit sagen?«
»Ja«, erwiderte er grinsend. Henry James war immer noch ein privater Scherz zwischen uns beiden, mit dem er mir immer wieder demonstrierte, wie tief ich doch in der Vergangenheit feststeckte, egal, wie viel Neues ich gezeigt bekam oder für mich selbst fand.
»Sie ist schon ein
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