Madame Hemingway - Roman
komplett wie einen Fisch hervorgezogen.«
Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln, während ich etwas Aufschnitt, Käse und Brot auf einen Teller legte. Bumbykam zu uns, saß auf Ernests Schoß, während dieser aß, und bekam kleine Häppchen von seinem Brot ab. Ich schaute den beiden für eine Weile zu und fragte dann: »Was geschieht jetzt?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe das hier nicht geschrieben. Ich habe keine Ahnung, was als Nächstes passiert.«
»Willst du immer noch nach Spanien?«
»Warum nicht? Es ist alles geplant. Ich reise am zwölften ab. Keinen Tag später, wenn ich die Corrida in Madrid nicht verpassen will. Für dein Konzert komme ich natürlich zurück. Das wird kein Problem sein.«
»Ich kann das jetzt nicht tun«, erklärte ich. Ich hatte den bevorstehenden Auftritt völlig vergessen. Wie sollte ich ihn bloß absolvieren können, ohne vor all unseren Bekannten in Tränen auszubrechen?
»Warum denn nicht? Der Saal ist gebucht. Du kannst keinen Rückzieher mehr machen.«
»Das kann und werde ich.«
»Dann werden alle darüber reden, das weißt du.«
»Das tun sie doch wahrscheinlich schon längst. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie sich in den Cafés gerade die Ohren heiß tratschen.«
»Zur Hölle mit denen. Nichts kann dich verletzen, wenn du es nicht zulässt.«
»Das glaubst du doch nicht im Ernst?«
»Ich muss«, sagte er.
»Hast du es Pauline gesagt?«
»Dass du es weißt? Noch nicht.«
»Nun, wir sollten sie fragen, wie es jetzt weitergeht. Bestimmt hat sie einen hervorragenden Plan für alles.«
»Pass auf, was du sagst.«
»Wieso? Hast du Angst, dass ich zum Miststück werde? Wenn, dann wissen wir ja, wessen Schuld es ist.«
Er stand auf und kam mit einer Flasche Brandy und zwei Gläsern zurück. »Trink das«, sagte er, füllte ein Glas und schob es mir über den Tisch zu. »Du kannst es gebrauchen.«
»Ja, betrinken wir uns.«
»In Ordnung. Darin sind wir immer gut gewesen.«
Neununddreißig
Die nächsten Tage waren so spannungsreich und voller Streit – selbst am helllichten Tag auf der Straße –, dass Ernest seine Tasche packte und verfrüht nach Madrid abreiste. Es war leichter, als er fort war. Ich wusste nicht, was die Zukunft bringen würde, aber ich brauchte eine Pause und Zeit zum Nachdenken.
Ich fühlte mich deswegen zwar wie ein Feigling, hatte meinen Auftritt jedoch tatsächlich abgesagt. Nun fiel mir die unangenehme Aufgabe zu, mich bei allen zu entschuldigen. Es war schrecklich, die Lüge zu verbreiten, es läge an meiner Aufregung und mangelnden Vorbereitung, doch noch schrecklicher fand ich die Vorstellung, es trotz allem durchzuziehen. Insbesondere, da die Neuigkeit von der Affäre bereits wie vermutet die Runde machte.
Kitty erzählte mir davon. Sie besuchte mich direkt, nachdem Ernest nach Madrid gefahren war, und hörte sich die ganze Geschichte mit ihrer unerschütterlichen Art an. Als ich alles berichtet hatte und nur noch Tränen aus mir herauskamen, sagte sie leise: »Ich würde gern behaupten, dass es mich überrascht, aber das tut es nicht. Ich habe Pauline auf der Straße getroffen, als sie auf dem Weg nach Schruns war. Sie hatte ihre Skier geschultert und war schwer beladen mit ihrem Gepäck, und obwohl sie eigentlich gar nichts verriet, lag doch etwas Bestimmtes in ihrem Tonfall, als sie über euch sprach. Eine Autorität, als würdet ihr beide ihr gehören.«
»Sie hat schon Nerven, das muss man ihr lassen.«
»Zelda hat erzählt, sie und Scott waren im Rotonde, als Pauline eintrat und anfing, von einem Brief zu erzählen, den sievon Hem bekommen hatte, wie lustig es doch sei, dass er so viel über Damenparfüm wüsste, und ob sie das nicht auch lustig fänden? Sie wollte sie ganz offensichtlich aufmerksam machen und einen Verdacht wecken.«
»Vielleicht konnte sie aber auch einfach nicht anders. Sie ist in ihn verliebt.«
»Du willst doch nicht etwa sagen, dass du Verständnis für sie hast?«, fragte Kitty ungläubig.
»Auf keinen Fall. Aber Liebe ist Liebe. Sie lässt einen schrecklich dumme Dinge tun.«
»Ich muss zugeben, dass ich Pauline immer noch gern habe, aber sie begeht hier einen großen Fehler. Freiheit ist eine Sache, aber beim Ehemann einer Freundin sollte man doch eine Grenze ziehen. Das muss man sogar.«
Das Wetter war plötzlich ganz herrlich, und die cremeweißen Rosskastanienblüten erstickten die Luft mit ihrer Süße – aber ich konnte nicht hinausgehen und es genießen. Bumby war krank
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