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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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eine ungeschickte, unendlich bescheidene Art auch außerordentlich charmant sein. Ich empfand uns im Haus als Verbündete und hoffte, dass es ihm genauso ging. Obwohl er mich ganz einfach am Straßenrand hätte aussteigen lassen können, parkte Roland den Wagen und brachte mich bis zum Bahnsteig, wo er dem Gepäckträger meine Koffer übergab. Beim Verabschieden legte er den Kopf schief, eine seiner lästigsten und zugleich reizendsten Angewohnheiten, und sagte: »Hadley, du siehst sehr hübsch aus.«
    »Findest du?« Ich fühlte mich plötzlich gehemmt in seiner Gegenwart und strich den Rock meines hellgrauen Reisekostüms glatt.
    »Ja, wirklich. Mir kam gerade in den Sinn, dass dir das vielleicht noch gar nicht bewusst ist.«
    »Danke.« Ich beugte mich vor, um ihn auf die Wange zu küssen, und stieg dann in den Zug ein, wobei mir meine Reisekleidung nun ganz neue Freude bereitete: der anschmiegsame Wollhut, die Handschuhe aus butterweichem Leder sowie die Schuhe aus braunem Velours. Die Sitze und Liegen im Zug waren plüschig und einladend, und Fonnies puritanischer Tonfall, in dem sie mich ermahnte, es bloß nicht zu genießen, schien plötzlich ganz weit weg. Nun befand ich mich im Midnight Special, und als es dunkel wurde, rollte ich mich auf meiner Liege im Schlafwagen hinter den dunkelgrünen Vorhängen zusammen. Aus dem Fenster sah ich kahle Felder und von Frost überzogene Obstplantagen und fand alles wunderschön im schwindenden Licht des Tages.
    Am nächsten Morgen erreichte ich die Union Station ausgeschlafen und nur leicht nervös. Dann entdeckte ich Ernest auf dem Bahnsteig, fast genau am selben Platz, an dem ich ihn im November zum letzten Mal gesehen hatte. Schlagartig war mein Mund völlig ausgetrocknet, und in meinem Bauchschwirrte ein ganzer Bienenschwarm. Er sah hinreißend aus in grauem Caban und Schal, und seine Augen glänzten. Er hob mich aus dem Zug und drückte mich fest an sich.
    »Schön, dich wiederzusehen«, sagte ich, als er mich losgelassen hatte, und wir grinsten beide aus Verlegenheit darüber, so plötzlich wieder vereint zu sein. Unsere Blicke trafen sich nur kurz. So viele Tausend Worte waren zwischen uns hin und her gesurrt. Wo standen wir nun?
    »Hast du Hunger?«, fragte er.
    »Klar«, antwortete ich.
    Wir rieben unsere Nasen aneinander und gingen hinaus in den eisigen Morgen, um ein Frühstück aufzutreiben. Es gab ein Café in der Nähe der State Street, das er mochte und das Steak mit Spiegelei für sechzig Cent anbot. Wir bestellten und setzten uns dann in eine Nische, in der sich unsere Beine unter dem Tisch gerade so berührten.
    »Die
Saturday Evening Post
hat schon wieder eine Story von mir abgelehnt«, erzählte er, während wir auf unser Essen warteten. »Das war nun bereits die dritte. Wenn nicht bald etwas geschieht, verbringe ich noch mein ganzes Leben damit, irgendwelchen Blödsinn für Zeitungen zu verfassen. Das kann ich einfach nicht.«
    »Du wirst schon noch etwas veröffentlichen«, versicherte ich ihm. »Es muss einfach so kommen. Und das wird es auch.«
    Er sah mich ruhig an, hob dann seine Fußspitze und presste sie fest gegen meine Wade. Dort ließ er sie. »Hattest du geglaubt, du würdest mich nicht wiedersehen?«
    »Kann sein.« Mein Lächeln verschwand. »Nesto, ich könnte mich gerade wirklich in dich verlieben.«
    »Ich fände es sehr schön, wenn du mich zumindest für eine Zeitlang lieben könntest.«
    »Wieso eine Zeitlang? Hast du Angst, dass es bei dir selbst nicht allzu lange vorhalten würde?«
    Nervös zuckte er mit den Schultern. »Ich hab dir doch mal von Jim Gamble erzählt, meinem Kumpel beim Roten Kreuz? Er meint, ich solle zu ihm nach Rom ziehen. Da ist das Leben billig, und wenn ich vorher genug Geld zurücklege, kann ich mich etwa fünf oder sechs Monate lang nur der Schriftstellerei widmen. So eine Chance bekomme ich vielleicht kein zweites Mal.«
    Rom.
Ich spürte, wie sich mir die Brust zusammenzog. Ich hatte ihn doch gerade erst gefunden, da wollte er sich schon nach Übersee verabschieden? In meinem Kopf drehte sich alles, doch ich wusste mit absoluter Sicherheit, dass es ein Fehler wäre, auch nur zu
versuchen
, ihn davon abzuhalten. Ich holte tief Luft und wählte jedes einzelne Wort sorgfältig: »Wenn deine Arbeit das Wichtigste für dich ist, dann solltest du gehen.« Ich versuchte, ihm über den Tisch hinweg direkt in die Augen zu sehen. »Aber ein Mädchen hier würde dich vermissen.«
    Er nickte ernst, erwiderte jedoch

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