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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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Bücher und Musik wusste, aber romantische Treffen mit ihm waren nur halb so lustig, wie wenn wir uns zu mehreren in das Auto von irgendjemandem quetschten und in die Stadt fuhren, um ins Kino oder Tanzlokal zu gehen, wo wir uns alle glücklich und frei fühlten. Hinterher saßen Ruth, Bertha und ich noch in unseren Nachthemden zusammen und besprachen die Ereignisse des Abends.
    Ich war gerade neunundzwanzig geworden, fühlte mich aber jünger und sorgloser als in meinem ersten Jahr am Bryn Mawr, als ich keinerlei Freude an Vertrautheit und Vergnügungen finden konnte. Es war, als wäre ich nun endlich Teil der Gesellschaft geworden, und ich war für jede Minute dankbar.
    Darüber hinaus kamen täglich die zerknitterten Briefe aus Chicago, die immer voller geschäftiger Neuigkeiten waren. Ernest berichtete mir alles über seine Artikel für die Zeitschrift
Commonwealth
und seine Ideen für neue Skizzen und Romane. Mehr und mehr tauchten auch Geschichten über seine Jugend auf, etwa über die langen Sommer in Michigan, wo sein Vater Clarence, der als Geburtshelfer arbeitete und ein echter Naturbursche war, ihm gezeigt hatte, wie man im Freien Feuer machte und Essen zubereitete, wie man eine Axt benutzte, Fische fing und ausnahm und Eichhörnchen, Rebhühner und Fasane jagte.
    Wenn ich an meinen Vater denke,
schrieb er
, ist er immer in den Wäldern und spült sein Klappmesser, läuft durch Stoppelfelder und Garbenhaufen oder hackt Holz, während ihm der Atem im Bart gefriert.
Ich las diese Zeilen mit Tränen in den Augen, da ich so wenige wertvolle Erinnerungen an meinen eigenen Vater besaß. Wenn ich an ihn dachte, kam mir zuerst sein Revolver in den Sinn und gleich danach der Knall, der durch dasganze Haus drang. Die Erinnerung an seinen Tod und daran, wie schmerzhaft ich darauf fixiert gewesen war, verstörte mich so sehr, dass ich im beißenden Wind zwei Runden um den Block laufen musste, bevor ich wieder ruhig genug war, um mich Ernests Brief zu widmen.
    Doch wenn ich auf Ernests Beziehung zu seinem Vater eifersüchtig war, beunruhigte mich seine Mutter auf andere Weise. Fast immer, wenn er sie in einem Brief erwähnte, nannte er sie
das Weibsstück
. Er beschrieb sie als äußerst dominant, nörglerisch und voller felsenfester und detaillierter Vorstellungen davon, wie das Leben abzulaufen hatte. Noch bevor er lesen konnte, brachte sie Ernest bei, lateinische und deutsche Verse »grundlegender« Dichtung auswendig zu lernen. Er versuchte zwar, für ihren kreativen Geist Respekt aufzubringen – sie sang Opern, malte ein wenig und schrieb Gedichte –, doch letzten Endes hielt Ernest sie für eine egoistische Mutter und Ehefrau, die stets ihren eigenen Willen durchsetzte, auch auf die Gefahr hin, die Menschen um sie herum, insbesondere ihren Mann, damit zu zerstören. Sie zwang Clarence dazu, all ihren Forderungen nachzugeben, wofür Ernest sie verachtete.
    Ernests leidenschaftliche Ablehnung seiner Mutter ließ mich erschaudern, doch ich musste mir eingestehen, dass mir das Gefühl nicht unbekannt war. Es war geradezu gespenstisch, wie sehr sich die Beziehungen unserer Eltern ähnelten, doch am härtesten traf mich die Tatsache, dass ich den unbeugsamen Willen meiner Mutter zwar oft verabscheut und sie sogar für den Tod meines Vaters verantwortlich gemacht, diesen Hass jedoch niemals offen geäußert hatte. Er hatte tief in mir getost und gebrodelt. Wann immer er drohte, an die Oberfläche zu gelangen, hatte ich das Gesicht in meinem Daunenkissen vergraben und meine Gefühle hineingeschrien und damit im Keim erstickt. Ernest spuckte seine Wut einfach aus. Wessen Reaktion war nun beängstigender?
    Mit der Zeit entwickelte ich einen wachsenden Respekt für seine Fähigkeit, selbst die schlechtesten Züge seines Charakters zu offenbaren, und freute mich darüber, dass er mich ins Vertrauen zog. Ich erwartete Ernests Briefe bald sehnsüchtiger als alles andere. Rasch lernte ich jedoch, dass er diese Offenheit auch bei anderen Dingen an den Tag legte. Anfang Dezember, kurz nach meinem Geburtstag, schrieb er mir, er habe sich am Abend zuvor auf einer Party von einem Mädchen in einem grünen Glitzerkleid angezogen gefühlt. Mir wurde beim Lesen ganz schlecht. Ich besaß kein grünes Glitzerkleid und selbst wenn, würde er es nicht sehen. Er war Hunderte Kilometer weit entfernt und wurde von seinem täglichen und nächtlichen Leben dort ganz in Anspruch genommen.
    Ja, wir waren Freunde und Vertraute – aber er war

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