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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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ich ein Mädchen näher an mich heran bekomme.«
    Ich weiß nicht, wie lange wir in dieser Nacht tanzten und uns, langsam vor- und zurücktretend, in einer großen Ellipse durch den Raum bewegten. Jedes Mal, wenn die Platte zu Ende war, ließ Ernest mich kurz los, um sie von neuem abzuspielen. Zurück in meinen Armen, vergrub er sein Gesicht in meinem Hals, während seine Hände tief auf meinem Rücken ruhten. Es war ein dreiminütiger Zauber, der immer wieder unterbrochen und neu aufgezogen wurde. Vielleicht war das Glück wie eine Sanduhr, die schon fast abgelaufen war, deren Körnchen eins nach dem anderen zerrannen. Vielleicht war es auch eine Geisteshaltung, wie Nora Bayes in dem Lied versicherte, ein Land, das man aus dem Nichts heraus erschaffen und in das man dann hineintanzen konnte.
    »Ich werde dich niemals anlügen«, sagte ich.
    Er nickte in mein Haar hinein. »Wir wollen einander immer die Wahrheit sagen. Das können wir schließlich selbst entscheiden, nicht wahr?«
    Er drehte mich langsam und kraftvoll durch den Raum. Das Lied hörte auf, die Nadel klickte, rauschte und verstummte dann. Wir tanzten einfach weiter, wiegten uns am Fenster vorbei und wieder zurück.

Sieben
    Als ich nach St. Louis zurückkehrte, erwartete mich Fonnie mit einer ganzen Reihe von Fragen und Warnungen. Wer war dieser Ernest Hemingway denn überhaupt? Wie war es um seine Zukunft bestellt? Was konnte er mir bieten? Sie war kaum mit den Fragen durch, als sie auch schon begann, sich auf meine eigenen Schwächen zu stürzen. Wusste Ernest von meinen Panikattacken und meinem allgemein labilen Gesundheitszustand? Meiner Krankheitsgeschichte? Man konnte den Eindruck bekommen, sie spräche über ein lahmendes Pferd, aber ich war nicht übermäßig beunruhigt. Ich kannte Fonnies Taktik in- und auswendig und konnte ihre Stimme fast vollständig ausblenden. Meine eigene innere Stimme bekam ich dagegen unglücklicherweise viel schwerer unter Kontrolle. Während ich bei Ernest in Chicago gewesen war, hatte ich mich stark und in der Lage gefühlt, die Zukunftsunsicherheit auszuhalten. Doch als ich seine Arme nun nicht mehr um mich spürte und mich außerhalb seiner Reichweite und seiner starken physischen Anziehungskraft befand, begann es an mir zu zehren.
    Da war es nicht gerade hilfreich, dass die Briefe von ihm immer mürrischer klangen und nun in größeren Abständen aufeinander folgten. Er hasste seinen Job und stritt mit Kenley über die Erhöhung seiner Miete.
Kenley weiß haargenau, dass ich jeden einzelnen Cent für Rom spare, aber er will mich einfach nicht in Ruhe lassen
, schrieb er.
Ein schöner Freund.
Ich wollte ihn bedauern, war aber aus reinem Eigennutz dankbar für jede Verzögerung seiner Abreise.
    Zu diesem Zeitpunkt besaß ich bereits ein Kistchen mit über hundert Briefen, das ich ordentlich in meinem Kleiderschrankverstaut hatte. An Tagen, an denen ich keine hübsch zerknitterte
Eilzustellung
erhielt, was immer häufiger vorkam, holte ich es heraus und las die Briefe noch einmal. Jeder kostete ihn zehn Cent fürs Porto, und er sparte seine Zehncentstücke gerade lieber, um sie später in Lire umzutauschen. Es verstörte mich, dass ihm Jim Gamble, das Abenteuer und seine Arbeit wichtiger waren. Ich bekam auch die Tatsache nicht aus dem Kopf, dass er so viel jünger war als ich. Falls wir gemeinsam ein mittleres Alter erreichten, würden acht Jahre wohl nicht mehr groß ins Gewicht fallen, doch Ernest erschien mir manchmal so jung und lebhaft und voller Pläne, dass ich ihn mir kaum in einem gesetzteren Alter vorstellen konnte. Er war wie jene leichtfüßigen Burschen auf griechischen Urnen, die der Wahrheit und Schönheit hinterherjagten. Wie passte ich da ins Bild?
    »Manchmal denke ich, ich bin zu alt, um mich zu verlieben«, erklärte ich Ruth eines Nachmittags. Wir saßen in meinem Zimmer auf dem Bett, zwischen uns ein Teller mit Keksen, während es draußen schneite, als würde es nie wieder aufhören.
    »Bist du zu alt – oder ist er zu jung?«
    »Beides«, erwiderte ich. »In gewisser Hinsicht hat er schon mehr erlebt als ich, auf jeden Fall hatte er mehr Aufregung im Leben. Aber er kann auch so schrecklich romantisch und naiv sein. Wie bei dieser Geschichte mit Agnes. Ich hege ja keinen Zweifel daran, dass sie ihm das Herz gebrochen hat, aber er zeigt es herum wie ein verletztes Kind.«
    »Hadley, jetzt bist du aber ungerecht. Du hast Harrison Williams doch auch lang genug hinterhergeweint.«
    »Ja, das habe

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