Madame Hemingway - Roman
genau wie zuvor, doch ich spürte die Distanz zwischen uns. Ich fragte mich, wie wir sie überbrücken könnten, um uns wiederzufinden.
Während ich noch grübelte, erreichte ein weiterer Gast Pounds Villa. Er hieß Edward O’Brien, war Schriftsteller und Herausgeber und wohnte derzeit in den Hügeln über der Stadt, in der Nähe des Klosters Albergo Montallegro. Ezra war zu Ohren gekommen, dass er sich in der Gegend aufhielt, und hatte ihn kurzerhand zum Lunch eingeladen.
»O’Brien gibt eine Sammlung der besten Storys des Jahres heraus«, erklärte Pound, als er uns alle einander auf der Terrasse vorstellte. »Und zwar schon seit dem Krieg.« Er wandte sich in Ernests Richtung und fuhr fort: »Unser Hemingway hier schreibt verdammt gute Storys. Er ist wirklich unglaublich gut.«
»Ich sammle derzeit Material für die Ausgabe von 1923«, sagte O’Brien zu Ernest. »Haben Sie gerade etwas zur Hand?«
Es war reines Glück, dass dem tatsächlich so war. Er zog eine zerknitterte Kopie seiner Jockeygeschichte
Mein Alter
aus der Tasche, die Lincoln Steffens zurückgesandt hatte. Er übergab sie O’Brien und erzählte ihm dann in Kurzfassung die Geschichte, wie seine gesamte Arbeit verlorenging. »Diese Story ist also alles, was mir geblieben ist«, erklärte er theatralisch. »Der allerletzte Rest, wie das letzte kleine Überbleibsel des Bugs eines Schiffes, das auf dem Meeresgrund verrottet.«
»Nun, das ist äußerst poetisch«, bemerkte O’Brien und nahm die Story zum Lesen mit auf den Hügel.
Als er fort war, sagte ich so leise wie möglich zu Ernest: »Ich wünschte, du hättest O’Brien gegenüber nicht solche Dinge gesagt. Mir ist ganz schlecht geworden.«
»Vielleicht kommt das aber auch vom Baby.«
»Bist du wütend auf mich?«
»Warum sollte ich?«
»Du glaubst doch nicht etwa, dass ich das mit Absicht getan habe?«
»Was, die Manuskripte verloren?«
Es war, als hätte er mir ins Gesicht geschlagen. »Nein. Schwanger werden.«
»Es kommt aufs Gleiche hinaus, nicht wahr?«
Unser Flüstern war mittlerweile hitzig geworden, und die anderen beiden Paare konnten deutlich erkennen, dass wir uns inmitten eines erbitterten Streits befanden. Sie zogen sich diskret ins Haus zurück.
»Ich kann nicht glauben, dass du wirklich so denkst«, sagte ich mit Tränen in den Augen.
»Ich verrate dir mal, was Strater gesagt hat: Kein anderer Schriftsteller oder auch Maler – niemand, der etwas erschafft, worin seine ganze Seele steckt, hätte die Tasche im Zug liegengelassen. Weil er gewusst hätte, was sie bedeutet.«
»Das ist gemein. Mir war der Verlust auch bewusst und ich habe darunter gelitten.«
Er seufzte geräuschvoll und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, sagte er: »Es tut mir leid. Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht davon anzufangen. Es kommt ja doch nichts Gutes dabei heraus.«
Ich rauschte in eine Richtung davon, er in die andere. Obwohl beim Abendessen alle so taten, als hätten sie nichts gehört, wusste ich es doch besser und hielt es für angebracht, mit der Wahrheit herauszurücken.
»Ihr Lieben sollt die ersten sein, die erfahren, dass wir ein Baby bekommen«, verkündete ich und griff nach Ernests Hand. Er zog sie nicht weg.
»Bravo«, rief Shakespear und stand auf, um mich liebevoll an sich zu drücken. »Ich hatte schon das Gefühl, dass du ein wenig stabiler geworden bist«, flüsterte sie mir ins Ohr.
»Gut gemacht«, gratulierte Mike.
»Ja, ja«, sagte Pound. »Das glückliche Schicksal des Affen.«
»Ezra!«, fuhr Shakespear ihn an.
»Hab ich nicht recht?«
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte Maggie Strater und umarmte mich. »Wir Affen müssen zusammenhalten.«
Am nächsten Nachmittag sahen wir den drei Männern auf dem Tennisplatz zu. Ernest spielte fürchterlich, was ihn nicht davon abhielt, jedes Mal mit voller Wucht zuzuschlagen. Er schwang den Schläger in einem großen Bogen wie beim Golf. Mike landete gerade einen schönen Treffer und der Ball flogübers Netz und fiel Ernest fast vor die Füße. Er verfehlte ihn dennoch, stieß einen derben Fluch aus und schleuderte seinen Schläger zu Boden.
Maggie zuckte zusammen. »Er wird sich schon irgendwann an die Vorstellung von einem Kind gewöhnen«, versicherte sie. »Bei Mike war es jedenfalls so.«
»Selbstverständlich wird er das«, stimmte Shakespear zu. »Irgendwann wird sein Stolz überhand nehmen, und dann wird er glauben, es sei von Anfang an seine Idee gewesen.«
»Ich bin mir da nicht so
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