Madame Hemingway - Roman
sicher«, erwiderte ich.
Genaugenommen bereitete es mir Bauchschmerzen, wie Ernest die verlorenen Manuskripte in seinem Kopf mit dem Baby verband. Wenn er auch nur in den dunkelsten, entferntesten Tiefen seines Bewusstseins glaubte, dass ich darauf aus war, seine Arbeit und seine Ambitionen zu sabotieren, konnte dann überhaupt wieder alles gut werden zwischen uns? Ich wusste, dass einmal zerstörtes Vertrauen kaum wiedergewonnen werden konnte, und das galt für Ernest ganz besonders. Wenn sein Bild von einem Menschen erst einmal getrübt war, konnte er ihn nie wieder in einem anderen Licht sehen.
Ich war ziemlich niedergeschlagen, bis Edward O’Brien voll überschwänglichen Lobs für Ernests Story von seinem Hügel kam. Er fand sie großartig und wollte sie veröffentlichen, auch wenn er dafür mit der Tradition der Reihe brechen musste, nur Werke auszuwählen, die zuvor schon in Zeitschriften erschienen waren. Damit nicht genug, er wollte den Band auch mit der Story eröffnen und sie in seiner Einleitung besprechen, so bedeutsam erschien sie ihm.
O’Briens Timing hätte nicht besser sein können. Er hatte damit meine und auch Ernests Gebete erhört. Dessen Selbstvertrauen, das einen starken Dämpfer erlitten hatte, bekam nun wieder Auftrieb, und er hatte wieder ein festes Ziel vor Augen. Wenn die Sammlung erschienen war, würde jeder,auf den es ankam, seine Story lesen. Sein Name würde bekannt sein. All seine Mühen waren also nicht umsonst gewesen.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, saß Ernest am Schreibtisch vor dem Fenster und schrieb.
Wir verbrachten noch zwei weitere Wochen in Rapallo, die für uns beide erfolgreich verliefen. Ernest schien sich weniger durch das Baby bedroht zu fühlen, wahrscheinlich, weil die Worte zu ihm zurückgekehrt waren und er ihren Pulsschlag spürte. Ich hatte nicht mehr so viel Angst vor der Zukunft, da Ernest wieder er selbst war, belebt von all dem, was er erreichen wollte. Endlich konnte ich mich auf das Baby freuen. Den einzigen Schatten auf diese Entwicklungen warf Ezra, als er mich bei unserer Abreise beiseitenahm: »Du weißt, dass ich mir nie etwas aus Kindern gemacht habe. Das tut jedoch gar nichts zur Sache. Ich will dir nur sagen, dass ich es für einen schrecklichen Fehler hielte, wenn du versuchen solltest, Hem völlig zu domestizieren.«
»Ich mag ihn genau so, wie er ist. Daran zweifelst du doch sicher nicht.«
»Natürlich nicht. Aber so denkst du jetzt. Glaub mir, dieses Baby wird alles verändern. Das ist unausweichlich. Behalte das einfach im Kopf, und pass auf, was du tust.«
»In Ordnung, Ezra, ich verspreche es«, sagte ich und lief zu Ernest, der vor unserem Zug wartete. Pound war eben Pound und hielt jedem gern einen Vortrag. Ich nahm ihn an diesem Tag nicht weiter ernst, denn ich war viel zu optimistisch gestimmt, um auf irgendwelche Warnungen zu hören. Doch Jahre später holten mich seine Abschiedsbemerkungen wieder ein. Pound war Pound, aber in diesem Fall sollte er recht behalten.
Vierundzwanzig
Als wir Anfang April nach Paris zurückkehrten, war ich froh, wieder zu Hause zu sein. Die Bäume waren erblüht, frische Wäsche hing über den sauberen Straßen, und Kinder rannten über die Kieswege im Jardin du Luxembourg. Ernest arbeitete intensiv, und auch wenn ich ihn vermisste, konnte ich das Alleinsein mehr genießen als zuvor.
Es klingt merkwürdig, aber zum ersten Mal hatte ich nun mein eigenes Projekt. Meiner Gesundheit zuliebe machte ich täglich lange Spaziergänge, aß gut und ruhte mich so oft wie möglich aus. Ich kaufte meterweise weiche weiße Baumwolle und verbrachte Stunden damit, in der Sonne zu sitzen und Babyklamotten zu nähen. Abends las ich die Briefe von Abélard und Héloïse. Das war eine Liebesgeschichte ganz nach meinem Geschmack, im Gegensatz zu Fitzgeralds auseinanderfallendem Jazz-Age-Pärchen. Als der Frühling in den Sommer überging, fühlte ich mich ganz und gar hoffnungsvoll. Ich war sonnengebräunt, stark und zufrieden –
stabiler
hatte Shakespear es genannt – und begann zu glauben, dass ich endlich meine Bestimmung gefunden hatte.
Wenn Ernest nicht gerade in seinem Zimmer in der Rue Descartes schuftete, verbrachte er viel Zeit mit Gertrude. Sie hatte natürlich mit ihm gefühlt, als er ihr vom Verlust seiner Manuskripte erzählte, war jedoch weniger verständnisvoll, was seine Sorgen wegen des Kindes anging.
»Du schaffst es trotzdem. Du wirst dich durchboxen.«
»Ich bin aber noch gar nicht
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