Madame Hemingway - Roman
etwas Kleines, Gesetztes und Vorhersehbares zu wollen, wie etwa eine einzige, wahre Liebe oder ein Kind.
Als wir später an diesem Nachmittag in unser Zimmer im Hotel Splendide zurückkehrten, setzte heftiger Regen ein, dergar nicht mehr aufhören wollte. Ich blickte mit wachsender Besorgnis aus dem Fenster.
»Mike Strater ist in eine Pariser Schauspielerin verliebt«, warf ich Ernest vom Fenster aus zu. »Hättest du das für möglich gehalten?«
Er saß auf dem Bett und las zum hundertsten Mal W. H. Hudsons
Green Mansions
. Er blickte kaum auf. »Ich schätze, das hat nicht viel zu bedeuten. Ezra meint, er sei kein Kostverächter, was Frauen angeht.«
»Wann
hat
es denn etwas zu bedeuten? Wenn es irgendwann einmal alle zerstört hat?«
»Darüber machst du dir also Gedanken? Das hat nicht das Geringste mit uns zu tun.«
»Wirklich?«
»Natürlich nicht. Untreue ist doch nicht ansteckend.«
»Aber du magst ihn.«
»Das stimmt. Er ist ein guter Maler. Er will morgen vorbeikommen und ein Porträt von mir malen. Vielleicht auch von dir, also solltest du dir bis dahin besser einen weniger sorgenvollen Gesichtsausdruck zulegen.« Er lächelte leicht und wandte sich wieder seinem Buch zu.
Draußen wurde der Regen stärker, und der Wind ließ ihn in einem schrägen Winkel auftreffen. Die Boote im Hafen neigten sich gefährlich dem Wasser zu.
»Ich bin hungrig«, sagte ich.
»Dann iss etwas.« Er sah nicht auf.
»Wenn es aufhören würde zu regnen, könnten wir draußen im Garten auf den Steinplatten essen.«
»Es wird aber den ganzen Tag regnen. Iss einfach etwas, oder sei still.«
Ich ging hinüber zum Spiegel und betrachtete mich voller Ungeduld. »Ich will mein Haar wieder wachsen lassen. Ich habe genug davon, wie ein Junge auszusehen.«
»Das tust du doch gar nicht«, sagte er zu seinem Buch. »Du bist perfekt.«
»Ein perfekter Junge. Ich bin es leid.«
»Du bist nur hungrig. Iss eine Birne.«
Ich beobachtete ihn, wie er über sein Buch gebeugt dasaß. Er hatte sein Haar wachsen lassen, und mittlerweile war es fast so lang wie meins. Wir sahen uns tatsächlich ein bisschen ähnlich, genau wie Ernest es sich damals, auf dem Chicagoer Dach unterm Sternenhimmel, gewünscht hatte. Doch so würde es nicht lange bleiben. In ein paar Monaten würde ich spüren und sehen, wie meine Taille sich rundete. Es war unvermeidlich.
»Wenn ich schönes langes Haar hätte, würde ich es im Nacken zusammenbinden, und es wäre ganz seidig und perfekt, und alles andere wäre mir egal.«
»Hmmm?«, machte er. »Was hält dich davon ab, es zu tun?«
»Nichts. Ich werde es tun.«
Auf der Kommode unter dem Spiegel lag eine kleine Nagelschere. Einem Impuls folgend, nahm ich sie und stutzte mein Haar ein wenig, zuerst unter dem einen, dann unter dem anderen Ohr.
Er beobachtete mich und ließ ein sonderbares Lachen hören. »Du bist ja verrückt, weißt du das?«
»Vielleicht. Jetzt bist du dran.« Ich ging zum Bett hinüber und setzte mich rittlings auf seinen Schoß. Dann schnitt ich ihm das Haar hinter den Ohren zurecht, bis es meinem glich. Ich steckte die losen Haare in die Tasche meiner Hemdbluse und sagte: »Jetzt sehen wir genau gleich aus.«
»Du bist heute ziemlich merkwürdig.«
»Du bist nicht in irgendeine Pariser Schauspielerin verliebt, oder?«
»Um Gottes willen, nein.« Er lachte.
»In eine Violinistin?«
»In niemanden.«
»Und du wirst für immer bei mir bleiben?«
»Kitty, was ist los mit dir? Sag es mir.«
Ich blickte ihm in die Augen. »Ich bekomme ein Baby.«
»Jetzt?« Er war augenblicklich aufgeschreckt.
»Im Herbst.«
»Bitte sag, dass das nicht wahr ist.«
»Es ist aber so. Freu dich, Tiny. Ich möchte es.«
Er seufzte. »Wie lange weißt du es schon?«
»Noch nicht lang. Vielleicht eine Woche.«
»Ich bin nicht einmal ansatzweise bereit dafür.«
»Bis es soweit ist, könntest du bereit sein. Du könntest dich sogar darüber freuen.«
»Die letzten Monate waren nicht gerade leicht.«
»Du wirst wieder arbeiten. Ich weiß, dass es so kommen wird.«
»Auf jeden Fall wird
etwas
kommen«, erwiderte er düster.
Die nächsten Tage waren schwierig und spannungsgeladen. Insgeheim hatte ich gehofft, Ernests Argumente gegen ein Baby wären nur oberflächlich, und sobald wir tatsächlich eins bekämen, würde er sich, wenn schon nicht für sich selbst, so doch zumindest für mich freuen. Doch er schien mir keinen Millimeter entgegenzukommen. Nach außen hin verliefen unsere Tage
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