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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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Krankenhausgeburten erst langsam im Kommen. Ernests Vater wurde immer noch zu Geburten mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt. Mir war zwar bewusst, dass Frauen ihre Kinder schon immer zu Hause auf die Welt gebracht hatten – meine und Ernests Mutter selbstverständlich auch –, doch ich fühlte mich in dieser professionellen Umgebung so viel sicherer. Vor allem, als mein Pressen sich als völlig nutzlos erwies.
    Ich mühte mich zwei Stunden lang ab, bis mein Hals schmerzte und meine Knie zitterten. Schließlich gaben sie mir Äther. Als sie mir die Maske über Mund und Nase zogen, atmete ich den Geruch von frischer Farbe ein und verspürte ein Brennen in den Augen. Danach fühlte ich gar nichts mehr,bis sich der Nebel um mich lichtete und ich die Krankenschwester mit einem fest zusammengewickelten Bündel vor mir stehen sah. Darin lag mein Sohn unter mehreren Lagen blauer Wolle versteckt. Ich blickte ihn durch Freudentränen hindurch an, und er war perfekt, von den wohlgeformten rosa Ohrmuscheln und den zusammengekniffenen Augen bis zu den dunkelbraunen Haaren mit den flaumigen Koteletten. Ich fand es schrecklich, dass Ernest die Geburt verpasst hatte, aber im Augenblick zählte nur, dass sein bezaubernder Sohn wohlbehalten auf die Welt gekommen war.
    Als Ernest am nächsten Morgen schließlich völlig abgehetzt im Krankenhaus ankam, saß ich gerade aufrecht im Bett und stillte das Baby.
    »O mein Gott«, sagte Ernest und brach zusammen. Er blieb im Türrahmen stehen, bedeckte sein Gesicht mit den Händen und schluchzte ungehemmt. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, Tiny. In dem Telegramm, das ich bekommen habe, stand nur, dass das Baby gesund zur Welt gekommen ist, aber kein einziges Wort über dich.«
    »Tiny, mein Liebster, du siehst, mir geht es gut. Alles ist glattgelaufen. Und nun schau dir diesen kleinen Burschen an, ist er nicht wundervoll?«
    Ernest trat ans Bett und setzte sich vorsichtig auf den Rand der Matratze. »Er sieht so winzig aus. Hast du keine Angst, irgendetwas falsch zu machen?« Er legte einen einzelnen Finger auf das feinadrige Händchen des Babys, ganz vorsichtig, um ja nichts falsch zu machen.
    »Am Anfang hatte ich Angst, aber eigentlich ist er recht stabil. Ich schätze, die Stierkämpfe hatten wirklich einen guten Einfluss auf ihn. Er kam herausgeschossen wie ein richtiger Torero.«
    »John Hadley Nicanor Hemingway. Er ist wunderschön. Und du hast dich so tapfer geschlagen!«
    »Ich fühle mich erstaunlich stark, Tiny, aber du siehst ganz furchtbar aus. Hast du im Zug denn gar nicht geschlafen?«
    »Ich habe es versucht, aber ich hatte dieses schreckliche Gefühl, dass du in Gefahr sein könntest.«
    »Ich war in den besten Händen. Die Connables waren so fürsorglich und hilfsbereit. Wir können ihnen wirklich sehr dankbar sein.«
    »Am Ende war es wohl doch richtig, nach Toronto zu kommen«, meinte Ernest.
    »Aber natürlich. Ich habe dir doch gesagt, dass alles Sinn ergeben wird, wenn der Kleine erst einmal da ist.«
    »Ich könnte umfallen vor Müdigkeit.«
    »Dann schlaf eine Runde.« Ich wies auf einen Sessel in der Ecke des Zimmers.
    »Hindmarsh wird sich fragen, wo ich bin.«
    »Soll er doch fragen. Du bist gerade Vater geworden.«
    »Kannst du dir das vorstellen?«
    Ich lächelte schweigend, während er sich unter einer Decke zusammenrollte und nach kürzester Zeit tief und fest schlief.
Jetzt sind es zwei Männer,
dachte ich mit größter Zufriedenheit.
Und beide gehören mir.

Sechsundzwanzig
    Später an diesem Morgen verschickte Ernest mehrere Telegramme, in denen stand, wie gut alles gelaufen war. Er war übermäßig stolz auf die Geschwindigkeit, mit der ich das Baby zur Welt gebracht hatte, und ich war ebenfalls zufrieden mit mir. Natürlich hatte ich Unterstützung durch die Ärzte und das Äther bekommen, dennoch hatte ich die ganze Tortur wie eine meisterhafte Stoikerin überstanden, während Ernest weit entfernt war.
    Er ging schließlich zur Arbeit und rechnete mit einer Standpauke von Hindmarsh. Doch es wurde schlimmer als erwartet: Hindmarsh bat Ernest nicht einmal in sein Büro, sondern demütigte ihn direkt vor der ganzen Redaktion. Er behauptete, Ernest hätte seinen Artikel einreichen sollen, bevor er zum Krankenhaus fuhr, was natürlich lächerlich war, doch als Ernest mir die Geschichte an diesem Abend erzählte, nachdem er das Ganze in einem Pub bei mehreren Gläsern Bourbon mit Greg Clark mehrmals durchgekaut hatte, war er immer noch

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