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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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Er arbeitete an fünf neuen zugleich, die alle unterschiedliche Aspekte des Stierkampfs behandelten. Wenn er abends nach Hause kam, brauchte er meist mehrere Drinks direkt hintereinander, bevor er mir von seiner Arbeit berichten konnte. Sie lief zwar gut, schien ihm aber auch alles abzuverlangen.
    »Ich versuche, die Texte lebendig zu halten«, erklärte er. »Ich bleibe bei der Handlung und bringe nichts von meinen Gefühlen hinein. Ich denke dabei überhaupt nicht an mich, sondern nur daran, was wirklich geschehen ist. So entstehen die wahren Emotionen.«
    Dies war seine neueste Theorie übers Schreiben, und da die Miniaturen der Testlauf für sie sein sollten, wollte er sie um jeden Preis richtig hinbekommen. Ich war mir sicher, dass sie ihm am Ende perfekt gelingen würden, doch es war nicht leicht, ihn so überarbeitet zu sehen. Er rackerte sich außerdem noch mit den Korrekturfahnen für Bob McAlmon ab. Auch nach der gereizten Atmosphäre auf ihrer Spanienreise hielt Bob sein Versprechen, mit Contact Editions ein Buch von Ernest zu veröffentlichen. Der Band sollte den Titel
Three Stories and Ten Poems
tragen. Ernest war ganz aufgeregt vor Vorfreude, hatte jedoch auch Angst, er würde die Fahnen niemals rechtzeitig fertigbekommen. Er arbeitete oft bis spät in die Nacht bei Kerzenlicht, und als er schließlich alle Änderungen eingetragen und das Ganze an McAlmon zurückgesandt hatte, war es schon Zeit zum Abschiednehmen.
    In einer Abfolge von traurigen Dinners sahen wir noch einmal die Straters, die Pounds, Sylvia, Gertrude und Alice. Allen versicherten wir, in einem Jahr zurückzukehren, wenn das Baby bereit zum Reisen war.
    »Bleibt bloß nicht länger fort«, verkündete Pound unheilvoll. »Im Exil zu leben ist äußerst belastend für den Geist.«
    »Nun, es ist ja kein richtiges Exil, oder?«, warf Ernest ein.
    »Du kannst es auch als Vorhölle bezeichnen«, antwortete Pound und trat einen Schritt zurück.
    »Das ist natürlich viel weniger schlimm, besten Dank«, brummte Ernest.
    Zehn Tage später legte unser Schiff ab.
     
    Wir erreichten Québec Anfang September und fuhren von dort weiter nach Toronto, wo uns eine überschwängliche Nachricht von John Bone und ein warmer Willkommensgruß von Ernests Reporterfreund Greg Clark erwarteten. Alles schien Gutes zu verheißen, doch als Ernest am 10. September im Büro vorsprach, erfuhr er, dass wider Erwarten nicht Bone sein direkter Vorgesetzter sein würde, sondern Harry Hindmarsh, der stellvertretende Redaktionsleiter des
Star
. Nach nur einem Treffen wusste Ernest, dass ihre Zusammenarbeit kompliziert werden würde. Hindmarsh markierte gern den starken Mann; das Gewicht, das er aufgrund seines Körperumfangs besaß, schrieb er auch all seinen Worten und Taten zu.
    »Er hat sich auf der Stelle ein Urteil über mich gebildet«, erzählte Ernest, als er in unser Zimmer im Hotel Selby zurückkehrte. »Ich hatte keine drei Worte gesagt, da hatte er schon entschieden, ich sei größenwahnsinnig.« Er schritt mit finsterer Miene durchs Zimmer. »Und was ist
er
denn bitte schön? Wenn er nicht mit der Tochter des Herausgebers verheiratet wäre, würde er doch jetzt Bürgersteige kehren.«
    »Das tut mir leid, Tiny. Ich bin sicher, er erkennt schon noch, wie wundervoll du bist«, erwiderte ich.
    »Das glaube ich kaum. Er scheint wild entschlossen, mich wie einen Jungreporter zu behandeln. Ich bekomme keine Zeile mit meinem Namen, und er schickt mich außerdem aus der Stadt.«
    »Wann?«
    »Heute Abend. Ich soll aus Kingston über irgendeinen entkommenen Sträfling berichten. Es sind nur fünf oder sechs Stunden mit dem Zug, aber ich weiß nicht, wie lange ich dort bleiben muss.«
    »Weiß Hindmarsh, dass das Baby jederzeit kommen könnte?«
    »Ich schätze mal, das kümmert ihn nicht.«
    Ich verabschiedete Ernest mit einem Kuss und der mehrmaligen Versicherung, dass alles gut werden würde. Er nahm mir das Versprechen ab, dass ich mir Unterstützung suchen würde, und das tat ich auch. Greg Clarks Frau Helen empfing mich mit großer Freundlichkeit und war sofort bereit, mir bei der Wohnungssuche behilflich zu sein. Der Preis spielte wie immer eine große Rolle für uns, zumal wir nun auch noch jeden Cent für das Baby beiseitelegten. Wir konnten uns also keine der besseren Gegenden leisten, die sie uns empfahl, doch wir fanden eine akzeptable Wohnung in der Bathurst Street. Die Wohnung lag im vierten Stock, besaß eine Badewanne mit Klauenfüßen und ein

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