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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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dem Kohlehaufen und nannten es unser Zuhause.
    Es war die Wohnung über der Sägemühle in der Rue Notre-Dame-des-Champs, die von unseren Freunden bald nur noch »die Tischlerei« genannt wurde. Manchmal waren der Lärm und der Staub, die vom Holzlager zu uns hinaufdrangen, kaum zu ertragen, doch die Wohnung war insgesamt besser gelegen als unsere Zimmer über dem Tanzlokal. Gertrude und Alice wohnten nicht weit entfernt, und sowohl der Jardin du Luxembourg als auch der Boulevard Montparnasse mit seinen vielen guten Cafés waren schnell zu erreichen.
    Einst hatte Ernest nur Verachtung für Schriftsteller übrig gehabt, die in Cafés schrieben. Er hielt sie für Angeber, die nur auffallen wollten. Mittlerweile war er jedoch selbst dazu übergegangen, dort zu schreiben. Das hatte zum Teil praktische Gründe. Er brauchte Ruhe und Bumby, bei dem die ersten Zähnchen im Anmarsch waren, war häufig quengelig. Doch als er einmal damit begonnen hatte, regelmäßig in der Closerie des Lilas zu schreiben, musste er überrascht feststellen, dass er es der einsamen Arbeit in seinem Zimmer vorzog, wo er es in aller Stille ausschwitzte, wie er es beschrieb. Im Café war es wärmer und auch angenehmer. Freunde konntenihn aufsuchen, und immer war irgendjemand Interessantes zum Reden oder Trinken vor Ort, wenn die Arbeit für den Tag getan war.
    Manchmal sprach er darüber, mit einem neuen Roman zu beginnen, doch er war noch nicht auf die richtige Idee dafür gestoßen. Ihm wurde immer deutlicher bewusst, dass der Entwurf, der mit den anderen Manuskripten in der Reisetasche verlorengegangen war, noch nicht der richtige Roman gewesen war, egal, wie sehr er es sich gewünscht und wie viel Arbeit er hineingesteckt hatte. Er schreckte jedoch noch davor zurück, erneut etwas so Großes und Zeitaufwändiges zu beginnen. Er wollte damit noch warten, und in der Zwischenzeit schrieb er Storys. »Eine Story für jede Sache, die ich weiß«, erklärte er, »die ich
wirklich
weiß, die mir tief in den Knochen steckt.«
    Ich fragte mich, was
ich
wirklich mit solcher Sicherheit wusste, und mir fielen nur Ernest und Bumby und unser gemeinsames Leben ein. Mir war klar, dass diese Vorstellung schrecklich altmodisch war, und wenn ich einer beliebigen Frau in einem beliebigen Café in Montparnasse davon erzählt hätte, hätte sie mich schallend ausgelacht. Ich sollte schließlich meine eigenen Ideen und Ambitionen haben und unendlich hungrig nach Erfahrungen und nach jeder Form von Veränderung sein. Doch ich war nicht hungrig. Ich war zufrieden.
    Meine Tage waren nun reicher und sinnvoller gefüllt. Bumby war entzückend, und wenn ich mit ihm spazieren ging, für gewöhnlich zweimal am Tag, wurden wir oft von Menschen angehalten, die ihn bewundern wollten. Mein Französisch war noch so holperig wie zuvor, doch ein fröhliches Baby war der perfekte Anstoß für Gespräche, auch wenn sie größtenteils einseitig verliefen. Sein Glucksen und Lachen bescherte uns viele geschenkte Äpfel und Birnen auf dem Markt, und wenn ich ihn von Zeit zu Zeit mit ins Café nahm, um mit Ernest zuessen, nahm Bumby sogar dort jeden für sich ein. Einige unserer Freunde mochten nichts mit ihm anzufangen wissen, doch Fremde waren ausnahmslos begeistert.
     
    Im Frühjahr reisten die Pounds wie üblich nach Rapallo ab, doch selbst aus der Entfernung war Ezra in der Lage, Ernest einen Job bei Ford Madox Ford als stellvertretender Herausgeber der
Transatlantic Review
zu verschaffen. Ford besaß ein dunkles, zugestopftes Büro am Quai d’Anjou, wohin Ernest Anfang Februar in seinen ausgetretenen Schuhen und seiner zerschlissenen Jacke mit dem Loch in der Schulter aufbrach. Er würde kein Geld für seine Arbeit bekommen, wollte jedoch gern selbst erfahren, wie eine Zeitschrift herausgebracht wird, und dabei wichtige Kontakte knüpfen. Das durfte Ford allerdings nicht erfahren, da Ernest immer die Oberhand behalten wollte, und zwar ganz besonders dann, wenn es unmöglich war. Fords Roman
Die allertraurigste Geschichte
hatte einiges an Aufmerksamkeit erregt. Daneben hatte er weitere Romane verfasst und in einer zuvor gegründeten Zeitschrift namens
English Review
Texte von Yeats, Thomas Hardy, Joseph Conrad und anderen veröffentlicht. Als wäre all dies noch nicht schlimm genug, war Ford auch noch ein vermögender Gentleman mit Stammbaum, eine Kombination, die Ernest ganz und gar missfiel. Als er von seinem Besuch zurückkehrte, berichtete er, Fords Geschmack sei dermaßen

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